Carina
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Montag, 18. März 2024
Ich bin vor über vier Jahren von zu Hause ausgezogen. Und hab seither immer wieder Schuldgefühle meiner Familie gegenüber. Ich denke, dass ich nicht genug für sie da bin. Letztes Jahr haben sie renoviert und ich konnte nicht kommen, um ihnen zu helfen. Und als meine Oma gestorben ist, konnte ich nur kurz übers Wochenende zu ihnen fahren, weil ich in die Uni musste. Ich hab sie mit der ganzen Arbeit rund um die Beerdigung allein gelassen.
Als ich an Weihnachten zu Hause war, hab ich mit meiner Mama darüber geredet. Und sie war total verwundert, dass ich das Gefühl hab, nicht genug für sie alle da zu sein. Sie meinte, dass sie nie auch nur den Gedanken hatte, dass das so sein könnte. Und dass ich ihnen ganz viel zurückgeben würde.
Meine Eltern haben nicht studiert. Ich bin die erste in der Familie, die Abitur gemacht hat und an die Uni gegangen ist. Für meine Eltern bedeutet das viel. Meine Mama hat gemeint, dass mein Papa und sie deshalb mega stolz auf mich sind und ich sie damit glücklich mache. Dass sie denken, dass ich mir mit allem so viel Mühe gebe. Und es doch auch normal ist, dass die Kinder irgendwann ausziehen und ihren eigenen Weg gehen.
Ich konnte gar nichts mehr sagen und hab einfach nur eine ganz große Dankbarkeit gefühlt.
Carina
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Dienstag, 20. Februar 2024
Ich bin grad umgezogen. Und obwohl die neue Wohnung noch aussieht, als wär ein Tornado durchgefegt, hab ich mich schon richtig gut eingelebt. Was mir den Start so erleichtert hat, war auf jeden Fall meine Familie.
Meine Eltern und meine Brüder waren so lieb und haben ein ganzes Wochenende damit verbracht, meine Möbel zu schleppen, aufzubauen und Zeug anzuschrauben.
Manche sagen jetzt vielleicht, dass es doch selbstverständlich ist, dass einem die Familie beim Umzug hilft. Aber ich weiß, dass nicht alle auf die Unterstützung ihrer Familie zählen können.
Vielleicht ist es mir deshalb so schwergefallen, die Hilfe einfach anzunehmen. Ich hab die ganze Zeit versucht, ihnen direkt was zurückzugeben und mich tausendmal bedankt. Obwohl sie mir ja gern geholfen haben und dafür keine Gegenleistung wollten.
Ich hab die Erfahrung auch schon selbst gemacht: Ich find's total unangenehm, wenn ich jemandem eine Freude machen will und derjenige das dann gar nicht auf sich beruhen lassen kann.
Akzeptieren zu können, dass jemand mir auch mal gern hilft, weil er mich mag und mir was Gutes tun will, das hab ich aus diesem Umzug für mich mitgenommen.
Carina
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Mittwoch, 07. Februar 2024
Ich hab mich mit meinem Freund gestritten. Klar, es ist normal, dass man sich in ner Beziehung mal streitet. Und meistens versöhnen wir uns auch schnell wieder. Zumindest oberflächlich. Denn manchmal bin ich so verletzt, dass es mir voll schwerfällt, ihm auch wirklich zu vergeben. Also innen drin.
Ich bin sehr sensibel und emotional. Deshalb gehen mir Streitigkeiten teilweise echt nah. Generell schwirrt mir Negatives oft noch tage- oder wochenlang im Kopf rum. Vielleicht macht mir das das Vergeben so schwer. Obwohl ich meinem Freund nach nem Streit vergeben will, läuft die Situation wie ein Film nochmal in meinem Kopf ab und zack, bin ich fast so verletzt wie in dem eigentlichen Moment.
Ich weiß, es hilft mir nicht, den Streit immer und immer wieder für mich durchzugehen. Und es ist auch nicht gut, dass ich es oft für mich behalte, wenn ich innerlich noch nicht damit abgeschlossen hab. Vermutlich könnte ich ihm leichter vergeben, wenn wir über unseren Streit reden würden. Aber es fällt mir einfach total schwer emotionale Themen anzusprechen. Ich weiß, dass es wahrscheinlich lange dauern wird und mir auch weiterhin schwerfallen wird, aber ich will daran arbeiten. Damit ich wirklich vergeben kann und den Streit nicht mehr mit mir rumschleppen muss.
Carina
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Dienstag, 06. Februar 2024
Ich dachte Jahre lang: Ich bin extrovertiert. Und so hab ich mich auch immer verhalten. Ich hab keine Gelegenheit ausgelassen, mich mit Freunden zu treffen oder auf Partys zu gehen. Wirklich viel Zeit für mich blieb da eigentlich nie. Und ich hab auch gedacht, dass ich das gar nicht brauch.
So langsam bin ich mir aber unsicher, ob ich meine Energie wirklich so sehr aus sozialen Beziehungen ziehe. Ich glaub, dass ich bisher einfach davon ausgegangen bin, dass ich extrovertiert sein muss, um dazuzugehören.
Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass ich manchmal insgeheim froh bin, wenn meine Freunde auch wieder gehen und ich mein Buch weiterlesen kann. Oder wie sehr ich es brauche, dass mal vollkommene Stille um mich rum herrscht. Oder auch, wie sehr ich Smalltalk hasse und wie schwer es mir fällt, neue Leute kennenzulernen. Ob ich jetzt deshalb gleich introvertiert bin oder nicht ist wahrscheinlich gar nicht so wichtig. Ich muss ja keinem bestimmtem Rollenbild entsprechen. Mir hats schon was gebracht, einfach mal genau hinzuschauen, was mir wirklich gut tut. Und wozu ich in Zukunft vielleicht auch mal guten. Gewissens. einfach „nein“ sagen darf.
Carina
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Freitag, 26. Januar 2024
Ich war bei nem Vortrag, bei dem ne Frau gesagt hat: „Wir müssen öfter aufgeben!“. Dadurch hat sie mir ne völlig neue Perspektive auf das Thema gegeben.
Sie hat gemeint, dass Aufgeben voll gut sein kann. Weil man manchmal nur noch an Dingen festhält, um nicht für schwach oder erfolglos gehalten zu werden.
Ich konnte ihr sofort zustimmen. Wie oft hab ich schon Dinge durchgezogen, obwohl ich sie nicht machen wollte? Ich glaube, dass das Problem ist, dass ich Erfolg als Nicht-aufgeben verstehe. Und ich hab Angst, was andere über mich denken, wenn ich aufgebe. Dass sie denken, ich bin schwach oder einfach faul. Dabei macht es doch keinen Sinn, an Dingen festzuhalten, die ich eigentlich gar nicht wichtig finde. Und die ich nur durchziehe, weil andere es von mir erwarten.
Sicher, es gibt auch Momente, in denen man nicht aufgeben sollte. Wenn einem etwas wirklich am Herzen liegt zum Beispiel. Dann fühlt sich Aufgeben auch eher nach einem Verlust als nach einer Befreiung an. Wahrscheinlich liegt da der Unterschied.
Seit ich den Vortrag gehört hab, hab ich mir fett vorgenommen, immer genau zu überlegen, wie wichtig mir etwas wirklich ist. Wenn ich etwas nur durchziehe, weil ich denke, dass es andere von mir erwarten, ist Aufgeben ok, sogar gut. Und immer meine Entscheidung.
Carina
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Donnerstag, 25. Januar 2024
Ich hab über Weihnachten mal wieder in meinem alten Kinderzimmer übernachtet. Was ich da so alles gefunden hab! Kinderbücher, alte Klamotten und Fotos… lauter Zeug, das ich bei meinem Auszug nicht mitgenommen hab.
An nem Klassenfoto aus der zehnten bin ich ewig hängen geblieben. Das ist sieben Jahre her. Auf dem Foto seh ich noch jünger aus und hab kurze Haare. Seither hab ich mich aber nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich verändert. Zum Beispiel fühl ich mich jetzt selbstsicherer, ich kenne meine Schwächen besser und ich weiß, was mir wichtig ist.
Ich hab mal gelesen, dass sich unser Körper alle sieben Jahre einmal komplett erneuert hat. Alle Zellen, die sterben können, sind dann mindestens ein Mal ausgetauscht worden. Mein Körper grad ist also komplett anders zusammengesetzt als der auf den alten Fotos. ICH bin jetzt anders.
Der Vergleich mit den Zellen erinnert mich dran, dass Veränderung was Natürliches ist. Auch wenn ich mein altes Ich von dem Foto ein bisschen cringe find, hab ich das Gefühl, dass dieses Ich damals genau richtig war. Selbst wenn ich da noch unsicherer war, hätte ich mich ohne genau diese „Version“ von mir nicht zu der Person entwickelt, die ich heute bin. Und deshalb, ich bin echt schon gespannt, wie ich in sieben Jahren auf mein jetziges Ich zurückschaue.
Carina
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Dienstag, 23. Januar 2024
Ich komme aus nem kleinen, katholischen Dorf in Oberschwaben aber bin trotzdem so gar nicht katholisch aufgewachsen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich mir mit manchen Traditionen oder Riten im Glauben noch immer schwertu.
Mit Beten zum Beispiel. Irgendwie hab ich nie gelernt, wie das „richtig“ geht. Schon klar, es gibt gefühlt tausend verschiedene Arten zu beten: Zum Beispiel allein, in der Gruppe, mit jemandem, der vorbetet oder ganz frei. Es gibt also nicht wirklich richtig oder falsch. Trotzdem hab ich oft das Gefühl, nicht so recht zu wissen, was ich eigentlich tun soll, wenn ich beten will. Zum Beispiel, wenn es im Gottesdienst still ist und man die eigenen Gedanken vor Gott bringen kann. Ich sitz dann da und weiß schon gar nicht, wie ich anfangen soll: Mit Lieber Gott? Guter Gott? Oder Vater? - Kein Plan.
Ich hab mich deshalb gefragt, wie ich mir eigentlich den Gott vorstelle, zu dem ich da beten will. Und welche Eigenschaften der hat. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Gott verständnisvoll ist und sich Zeit nimmt. Er verurteilt nicht und hört einfach zu. Wie ein guter Freund. Ich glaub, dass ich darum eigentlich gar nichts besonderes machen muss, wenn ich mit Gott reden will. Einfach nur ehrlich sein. Das ist die einzige Regel, die ich für mich gefunden hab.
Carina
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Dienstag, 12. Dezember 2023
Mir hat mal jemand gesagt, dass man zu 10% in der Vergangenheit, zu 10% in der Zukunft, aber immer zu 80% im Hier und Jetzt leben soll. In letzter Zeit ist mir das nicht so gut gelungen. Ich hatte das Gefühl, dass die Tage und Wochen nur so vorbeigezogen sind. Ich war gestresst und mit meinen Gedanken überall… nur halt nicht bei mir in der Gegenwart.
Jetzt, im Advent, geht das alte Kirchenjahr zu Ende und ein neues fängt an. Ich versuche das als kleinen Neustart zu sehen. Und zwar in dem ich mir vornehme ein bisschen runterzufahren. Mehr zu fühlen und nicht so viel Stress zuzulassen. Um mich wieder selbst zu spüren, hilft‘s mir immer, Dinge zu tun, die mir Spaß machen und für die ich im Alltag oft viel zu wenig Zeit hab. Ich versuch zum Beispiel, mehr zu lesen, mal ein Bad zu nehmen und meine Lieblingsfilme zu schauen. Auch die Adventsgottesdienste in meiner Gemeinde bringen mich richtig runter. Ich liebe es, bei Kerzenschein in der Stille zu sitzen und mal über nichts nachdenken zu müssen.
Und auch wenn mich immer noch viele Sachen aus der Vergangenheit oder aus der Zukunft beschäftigen: Die Adventszeit will ich als Neuanfang nutzen. Und das heißt, ich versuche mehr im Hier und Jetzt zu sein.
Carina
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Sonntag, 03. Dezember 2023
Ich hab mir die letzten Jahre jedes Mal zu spät überlegt, was ich meiner Familie und meinen Freunden zu Weihnachten schenken will. Im Stress hab ich dann oft irgendwas gekauft, einfach weil ich schon so knapp dran war.
Für dieses Jahr hab ich mir deshalb was einfallen lassen: Ich hab mir schon voll früh eine Liste gemacht und mir das ganze Jahr über Dinge aufgeschrieben, die meiner Familie und meinen Freunden gefallen könnten. Die bunten Socken, von denen meine beste Freundin im Sommer geredet hat, hab ich zum Beispiel schon gekauft.
Ich finde, dass es beim Geschenke machen nicht drauf ankommt, wie teuer das Gekaufte ist oder ob ich das Geschenk aufm Flohmarkt gefunden hab. Es muss ja auch nichts Materielles sein. Ich hab zum Beispiel schon öfter gemeinsame Ausflüge verschenkt.
Es geht vielmehr drum, dass ich den Menschen, die ich gern hab, zeige wie viel sie mir bedeuten. Mir zu überlegen, was die Person mal erwähnt hat oder sich wirklich wünscht. Also einfach aufmerksam zu sein. Unter Zeitdruck schaffe ich das aber nie. Deshalb dieses Jahr meine Liste. Und sind wir mal ehrlich: wenn man sich die Zeit vor Weihnachten so ein bisschen stressfreier machen kann, tut man sich selbst gleich auch noch was Gutes.
Carina
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Donnerstag, 16. November 2023
Kennt ihr das Buch „Die Mitternachtsbibliothek“? Es geht darin um Nora, die keine Freude mehr am Leben hat. Als sie stirbt, landet sie nicht direkt im Himmel, sondern in einer Bibliothek. Hier findet sie raus, dass es Paralleluniversen gibt. Mit jedem Buch aus dieser Bibliothek kann Nora ein Leben besuchen, das sie in einem anderen Universum lebt. Und so schauen, ob sie in irgendeinem andren Leben vielleicht glücklicher wäre.
Seit ich das Buch gelesen hab, kann ich nicht mehr aufhören drüber nachzudenken: Wäre ich in einem anderen Leben glücklicher als jetzt grad?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich nicht einfach ein andres Leben haben wollen würde. Was würde das bringen? Selbst wenn ich da vielleicht erstmal glücklicher wäre als in meinem eigenen, glaube ich, dass ein solches Glück nur von kurzer Dauer wäre. Denn Noras Geschichte hat mir gezeigt, dass ich nicht einfach vor meinen Problemen davonlaufen kann. Selbst wenn ich ein anderes Leben beginne, bin ich ja noch der gleiche Mensch. Und ich denke, dass ich dann auf kurz oder lang wieder auf die gleichen Herausforderungen stoßen würde. Ich muss mich mit meinen Problemen auseinandersetzen. Wahrscheinlich kann ich so glücklicher werden. Und mal ganz ehrlich: Auch wenn manche Probleme schwer zu lösen sind, mag ich mein Leben eigentlich ganz gerne, so, wie es ist.