Carina
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Samstag, 18. Mai 2024
In zwei Tagen muss ich eine zwölf-seitige Hausarbeit abgeben. Von diesen zwölf Seiten hab ich bisher noch keine einzige geschrieben. Nicht mal mit dem Recherchieren und dem Lesen bin ich ganz fertig.
Ob ich die Hausarbeit noch so hinbekomme, wie ich mir das vorgestellt hab, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass die nächsten beiden Tage seeehr anstrengend werden und ich sicher auch noch Nachtschichten schieben muss.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich viel zu spät mit etwas anfange und dann einen riesen Stress habe. Ich schiebe alles auf - gefühlt schon immer. Irgendwie brauch ich den Zeitdruck, um mit was loszulegen. Seit dem Studium kann ich mit diesem Druck aber auch immer schlechter umgehen. Vielleicht, weils jetzt wirklich um meine Zukunft geht und ich nicht „versagen“ möchte.
Ich glaub grad diese Angst vor dem Versagen ist komischerweise auch der Grund, warum ich Sachen aufschiebe. Ich mach mir selber den Druck, dass alles, was ich mache, perfekt werden muss. Weil ich weiß, dass das aber viel Arbeit bedeutet und anstrengend ist, fange ich dann gar nicht erst an. Hausarbeiten sind deshalb mein Endgegner: damit die gut werden, muss ich strukturiert vorgehen, den Überblick behalten und mir genug Zeit nehmen. Alles Dinge, die mir schwerfallen. Ich will lernen, dass es auch ok ist, wenn etwas nicht perfekt ist. Und dass es besser ist etwas nicht perfektes zu machen als gar nichts. Dafür muss ich mich aber erstmal trauen loszulegen.
Carina
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Freitag, 17. Mai 2024
Vor zwei Jahren war ich fünf Wochen lang in einer Klinik. Nicht, weil ich mir den Fuß gebrochen hatte oder weil ich da ein Praktikum gemacht hab, sondern weil ich Depressionen hatte.
Eine Depression ist eine psychische Krankheit, die man meist daran erkennt, dass jemand antriebslos ist und irgendwie die Lust am Leben verloren hat. Bei mir hat sich das vor allem durch ein Gefühl von innerer Leere gezeigt. Da war einfach… nichts mehr in mir, es hat sich angefühlt, als wär ich nicht mehr da. Das war ein richtig mieses Gefühl.
Woher eine Depression kommt, weiß die Wissenschaft nicht genau. Teilweise kann man auch ne genetische Veranlagung dazu haben. Bei mir hat bestimmt mit reingespielt, dass ich jahrelang sehr gestresst war und generell ne schwere Zeit hatte. Statistiken sagen, dass eigentlich jeder Mensch in seinem Leben mindestens eine depressive Verstimmung hat. Das ist dann nicht gleich eine Depression, sondern sozusagen die Vorstufe davon.
Wichtig ist, dass man dann weiß, was man tun kann. Das bedeutet, dass man vor allem herausfinden muss, was einem gut tut. Mir hat geholfen, mir bewusst Zeit für mich zu nehmen. Das hab ich davor viel zu wenig gemacht. Das wichtigste, was ich aus der Klinik für mich mitgenommen hab, ist, dass es nichts bringt, meine Gefühle zu unterdrücken. Gefühle sind nicht einfach so da, sondern haben immer einen Grund. Meinen Gefühlen kann ich am besten zuhören, wenn ich sie aufschreibe. Das ist meine Methode geworden, mit schlechten Tagen umzugehen.
Carina
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Donnerstag, 16. Mai 2024
Ich bin eine Overthinkerin. „Overthinking“ heißt so viel wie „zu viel nachdenken“. Bei mir sieht man das daran, dass ich mir über Kleinigkeiten stundenlang den Kopf zerbreche. Und meistens erkenn ich irgendwann, dass ich mir ganz umsonst Gedanken gemacht hab. Oft liegen die Dinge, über die ich nachdenk, sowieso in der Vergangenheit. Und was schon vorbei ist kann ich eh nicht mehr ändern.
Ein zweites „Talent“ von mir macht das ganze oft noch schlimmer: Ich bin nicht besonders gut darin, Gefühle und Meinungen von anderen richtig zu deuten. Grade der Tonfall, mit dem jemand was sagt, hat mich schon so oft dazu gebracht, dass ich overthinke. Ist mein Freund wütend? Oder kam das nur bei mir pampig an? Ich denk dann sofort, ich hab was falsch gemacht.
Es passiert schnell, dass ich von einem ersten, einfach Gedanken in eine Gedankenspirale rutsche und mich zum Beispiel irgendwann frage, ob mein Freund mich überhaupt noch liebt. Obwohl er ja nur einen Satz gesagt hat. Ich glaube, der Grund für mein ständiges Overthinking ist, dass ich manchmal nicht so selbstbewusst bin. Mir ist extrem wichtig, wie ich bei anderen Menschen ankomme. Deshalb bin ich schnell verunsichert, wenn ich eine Situation nicht ganz deuten kann. Ich denke dann, mein Verhalten hätte irgendwas bei dem andren ausgelöst, was aber eigentlich gar nicht so ist.
Mein Selbstvertrauen aufzubauen, geht nicht von heute auf morgen, das dauert. Ich denke aber, dass ich da schon auf einem ganz guten Weg bin. Ich muss aber auf jeden Fall noch verinnerlichen, dass das Wichtigste ist, was ICH über mich denke. Und nicht andere.
Carina
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Mittwoch, 15. Mai 2024
2016 war ich das erste Mal in meinem Leben auf nem Konzert. Meine Lieblingsband life zu sehen und sogar noch bei einem Meet n‘ Greet zu treffen war in meinen damaligen Teenieaugen echt der Hammer.
Ich weiß aber auch noch, dass ich die Tage danach ein richtiges Down hatte. Irgendwie hat dieser Konzertbesuch in mir den Gedanken hervorgerufen, dass ich nichts aus meinem Leben machen würde. Die Mitglieder der Band waren nur ein bisschen älter als ich damals und hatten trotzdem schon so viel erreicht. Ich weiß noch genau, wie traurig und frustriert ich war, weil ich noch nicht so viel geschafft hatte. Ich hab daraus geschlossen, dass ich jetzt auch mal schleunigst meinen Hintern hochkriegen und irgendein großes Talent in mir entdecken muss.
Auch wenn meine Gedanken von damals eventuell etwas von meinen Teenie-Hormonen vernebelt waren, beschäftigt mich diese Erfahrung heute immer noch. Es ist doch krass, was ich damals von mir erwartet hab. Ich war da doch noch voll jung! Ich hab gedacht, dass man nur was erreicht hat im Leben wenn man ein außergewöhnliches Talent hat und berühmt geworden ist.
Ich hab erst später erkannt, dass ich selber bestimme, was Erfolg für mich bedeutet. Und dass Berühmtheit kein Beweis für Erfolg ist. Die Titanic ist auch berühmt aber ihren Untergang würde ich jetzt nicht als Erfolg bezeichnen. Ich glaub, dass ich Erfolg haben werde, wenn ich an was dran bleibe und nicht aufgebe. Selbst wenn dann am Ende nichts draus wird kann ich trotzdem sagen, dass ich erfolgreich war. Weil ich alles gegeben hab.
Carina
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Dienstag, 14. Mai 2024
Ich mache nicht genug Sport. Eigentlich gar keinen, wenn ich ganz ehrlich bin. Über genau dieses Thema hab ich in letzter Zeit öfter mit meinem Freund diskutiert. Sport ist ihm ziemlich wichtig und er zieht daraus Energie für den Alltag. Für ihn ist Sport ein guter Ausgleich und ich weiß selber, dass er auch wichtig für meine Gesundheit wär.
Und obwohl es also echt gute Argumente dafür gibt, Sport zu machen, hat er in meinem Leben bisher keine große Rolle gespielt. Meine Eltern haben nie darauf bestanden, dass ich irgendeinen Sport mache, wie das bei meinen Freundinnen teilweise der Fall war. Den Ausgleich im Alltag hab ich mir meistens geschaffen, indem ich gemalt hab oder anders kreativ war.
Damit könnte ja jetzt alles gut sein, aber mich lässt der Gedanke nicht los, dass ich ja schon irgendeinen Sport machen sollte. Ich finde nämlich, mein Freund hat auf jeden Fall Recht, wenn er mit der Gesundheit argumentiert. Gott hat uns unseren Körper geschenkt und da ist es doch irgendwie meine Pflicht, mich gut um diesen Körper zu kümmern und ihn gesund zu halten. Und grundsätzlich glaube ich auch, dass mir Sport im Alltag helfen würde, den Kopf frei zu kriegen.
Das Problem ist nur: Ich habe bisher keinen Sport gefunden, der mir wirklich Spaß gemacht hat. Ich finde es sinnlos, mir jetzt irgendeinen Sport zu suchen, zu dem ich mich dann jedes Mal hinzwingen muss. Um rausfinden zu können, ob es einen Sport gibt, der mir liegt, muss ich allerdings eine ganz wichtige Sache machen: rausgehen und ausprobieren. Und dazu will ich mich jetzt motivieren.
Carina
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Montag, 13. Mai 2024
Vielleicht kennt ihr diesen Trend auf Social Media, bei dem Leute ihren Partner fragen, ob er sie auch noch lieben würde, wenn sie ein Wurm wären.
Das ganze ist natürlich nur als Scherz gemeint und soll verdeutlichen, welche seltsamen Gedanken und Sorgen man sich manchmal in einer Beziehung macht. Für mich ist an diesem Scherz aber schon auch was Wahres dran. Ich frag mich oft, ob mein Freund mich noch lieben würde, wenn ich anders aussehen würde. Natürlich geh ich jetzt nicht davon aus, dass ich irgendwann in meinem Leben mal ein Wurm werden könnte. Aber die Sorge finde ich schon berechtigt, weil sich mein Körper ja auch verändern kann und auch wird, wenn ich älter werde.
Als ich ihm mal die Frage gestellt hab, wie sehr er meinen Körper im Vergleich zu meinem Charakter mag hat er gesagt 50:50. Das hat mich erstmal umgehauen und ich dachte schon, dass da demnächst die Trennungsglocken läuten.
Als ich mir dann aber angehört hab, was seine Argumente sind, hab ich nochmal einen anderen Blick darauf bekommen. Mein Freund meinte, dass ich ihm am Anfang vor allem wegen meinem Aussehen aufgefallen bin. Da wir uns eigentlich noch nicht wirklich kannten bevor wir zusammengekommen sind konnte ich das nachvollziehen und musste mir eingestehen, dass es bei mir ähnlich war. Außerdem sind ihm Berührung und Nähe sehr wichtig und da spielt der Körper schon eine Rolle. Für mich hat sich durch seine Ansicht der Blick auf meinen Körper verändert, in einem positiven Sinn. Ich nehm jetzt vor allem die Dinge mehr wahr, die ich an meinem Körper schön finde. Und ich hab dadurch erkannt, dass in einer Beziehung beides dazugehört, Charakter und Körper.
Carina
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Samstag, 23. März 2024
Ich bin die erste in meiner Familie, die zur Uni geht. Deshalb bin ich ein sogenanntes „Arbeiterkind“. Das heißt, meine Eltern haben beide nicht studiert. Ich finde es krass, wie viel Einfluss das Elternhaus in Bezug auf die eigene Ausbildung und Berufswahl hat.
Statistiken sagen, dass zum Beispiel nur 27% der Arbeiterkinder auf die Uni gehen.
Das liegt nicht daran, dass Arbeiterkinder weniger können oder weniger Lust darauf haben. Ihre Eltern raten oft von einem Studium ab. Ich hab gelesen, dass sie vor allem Angst haben, dass ihre Kinder mega lang studieren, währenddessen ja auch noch kein Geld verdienen und im schlimmsten Fall dann doch keinen Job kriegen. Meine Eltern waren zum Beispiel richtig froh, als ich beschlossen habe, auf Lehramt zu studieren. Weil der Lehrerberuf doch so ein sicherer Job ist, bei dem man später verbeamtet werden kann.
Genauso hab ich es aber auch andersrum erlebt: Die meisten in meiner Klasse hatten Eltern, die studiert haben. Und die haben ihnen oft viel stärker zu einem Studium geraten, als zu einer Ausbildung.
Wahrscheinlich wollen Eltern meistens nur das Beste für ihr Kind. Und das ist dann eben das, was sie selbst kennen.
Ich find's aber wichtig, dass man den Berufsweg geht, der zu einem passt. Und dabei ist die eigene Meinung wichtiger als die der Eltern.
Carina
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Freitag, 22. März 2024
Gestern hatte ich meine allerletzte Therapiestunde. Eineinhalb Jahre hab ich meine Therapeutin fast jede Woche gesehen. Und jetzt bin ich einfach wieder auf mich allein gestellt.
In der Therapie konnte ich all meine Probleme mit ihr besprechen. Und hab mich so im Umgang mit meinen Ängsten viel sicherer gefühlt. Deshalb hatte ich jetzt auch total Schiss, wie es ist, wenn diese Unterstützung wegfällt.
Als ich das meiner Therapeutin erzählt hab, hat sie mich nur angelächelt. Sie meinte, sie würde mich ja nicht gehen lassen, wenn sie nicht wüsste, dass ich es allein schaffe. Und, dass ich dran denken soll, was ich seit meiner ersten Stunde schon alles erreicht habe.
Ich durfte mir ihre Notizen von damals durchlesen und war wirklich ein bisschen baff. Die Person, die sie da beschrieben hat, hatte Sorgen, die ich heute gar nicht mehr richtig nachvollziehen kann. Als wir gemeinsam reflektiert haben, was sich seither alles zum Positiven verändert hat, haben wir festgestellt, dass die meisten der Sorgen und Ängste von damals weniger geworden sind. Und manche sind sogar ganz verschwunden.
Ich vergesse viel zu oft, wie weit ich schon gekommen bin, wie stark ich geworden bin. Und dass ich stolz darauf sein darf. Dieses Gefühl will ich mir für die kommende Zeit bewahren.
Carina
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Donnerstag, 21. März 2024
Ich bin eine People Pleaserin. People Pleasing ist englisch und heißt übersetzt sowas wie „Leute zufriedenstellen“. Menschen wie ich wollen es immer allen Recht machen und achten dabei nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse.
Wenn mich Freunde fragen, ob ich spontan Zeit habe, sage ich ja, auch wenn ich eigentlich was für mich machen wollte. Wenn ich irgendwo eingeladen bin, gehe ich hin, auch wenn ich eigentlich keine Lust habe. Und wenn mich meine Mitbewohnerin fragt, ob ich nicht noch ein Paket für sie abgeben könnte, mache ich es, auch wenn die Post so überhaupt nicht auf dem Weg liegt und ich eigentlich keine Zeit dafür habe.
Ich hab Angst, dass die andere Person denkt, dass ich sie nicht mag, wenn ich nein sage. Oder, dass sie enttäuscht von mir ist und mich nicht mehr mag.
Das Schlimmste dabei ist: Ich sage so oft nicht die Wahrheit, ich spiele anderen etwas vor und übergehe mich dabei selbst. Ich weiß, dass ich weder anderen noch mir einen Gefallen damit tu. Eine Freundin, die das auch kennt, hat mir empfohlen, mir mehr Zeit zu nehmen, bevor ich bei irgendwas ja sage. Um so nicht aus der Angst heraus zu entscheiden.
Im Moment krieg ich das noch nicht so hin. Deshalb hab ich jetzt schon ein paar Mal einfach angesprochen, dass ich Probleme damit hab, nein zu sagen. Und bin tatsächlich auf sehr viel Verständnis gestoßen.
Carina
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Dienstag, 19. März 2024
Meine Oma ist gestorben. Und obwohl sie davor wegen einem Schlaganfall schon lange krank war und ich damit gerechnet hab, hat mich ihr Tod irgendwie… umgehauen. Ich kanns einfach nicht fassen, dass ich jetzt in einer Welt leb, in der sie nicht mehr ist.
Seit der Beerdigung war ich noch nicht ein Mal an ihrem Grab. Und deswegen schäme ich mich grad so. Irgendwie hab ich das Gefühl, ich würde sie vernachlässigen und dass mir ihr Tod nichts bedeuten würde, wenn ich sie da nicht besuch.
Und obwohl ich die Zeit gehabt hätte, auf den Friedhof zu fahren, hab ich mich davor gedrückt. Nicht, weil ich Angst hab, dass ich plötzlich ganz traurig werden könnte. Damit könnte ich glaub umgehen. Es ist eher so, dass ich nicht weiß, was ich dann da machen soll. Soll ich mit ihr reden? Ist sie an ihrem Grab überhaupt mehr da als irgendwo anders?
In den letzten Wochen habe ich oft über meine Oma nachgedacht. Und bin in alten Erinnerungen geschwelgt. Da ist mir aufgefallen, dass es Dinge gibt, die ich mit ihr verbinde. Eine alte Fernsehshow zum Beispiel oder ein bestimmter Song. Wenn ich daran denk, kann ich sie spüren und mich besonders gut an sie erinnern. Ob ich an ihrem Grab auch so an sie denken kann, weiß ich nicht, ich habs ja noch nicht ausprobiert. Mir ist klar geworden, dass sie ab jetzt nicht mehr nur an einem Ort ist. Sondern überall da, wo ich sie finden will.