Anna R.
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Sonntag, 21. November 2021
Vor kurzem bin ich für zwei Tage richtig krank gewesen. Mir ist es gar nicht gut gegangen und ich hab die meiste Zeit im Bett gelegen. Ich hab abwechselnd geschlafen und Serien angeschaut und mich zu nichts anderem aufraffen können. In dieser Zeit hat sich mein Freund richtig gut um mich gekümmert. Er hat mir immer neue Wärmflaschen gebracht, ist für mich zur Apotheke gegangen und hat mir Suppe gekocht. Wenn ich krank bin, ist das meist das Einzige, was ich essen will. Mit einer warmen Suppe im Bauch fühle ich mich gleich ein bisschen besser. Das Schönste daran war, dass er die Suppe für mich gekocht hat. Schon weil ich kaum aufstehen konnte. Aber wenn ich krank bin, ist es auch einfach ein schönes Gefühl, umsorgt zu werden. Er zeigt mir damit: Ich bin für Dich da, wenn es Dir schlecht geht; Du bist nicht allein!
Dieses Gefühl wünsche ich jedem, der krank ist. Deshalb will ich es weitergeben. Meinem Freund natürlich, aber auch meinen Freundinnen, die allein wohnen. Wenn sie krank werden, will ich deshalb für sie da sein. Anrufen und fragen, wie es ihnen geht. Und vielleicht koche ich auch einfach einen Topf Suppe und bringe ihn vorbei. Für mich ist das kein großes Ding. Aber für eine Freundin vielleicht das wohlig warme Gefühl, dass jemand für sie da ist.
Anna R.
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Samstag, 20. November 2021
Mein Freund und ich haben vor kurzem geheiratet. Über 100 Verwandte und Freunde haben wir eingeladen. In unserer kleinen Wohnung geht das natürlich nicht. Deshalb haben wir einen großen Raum gemietet. Außerdem haben wir leckeres Essen bestellt und für Getränke, Blumen und Musik gesorgt – es war ein rauschendes Fest. Inzwischen sind die Rechnungen für alles eingetrudelt. Ich hab erstmal schlucken müssen, als ich die Summe gesehen habe. Die Hochzeit ist nicht gerade billig gewesen.
Nach dem ersten Schock hab ich mich dann aber wieder daran erinnert, warum wir das alles gemacht haben. Weil es uns wichtig war, unser Glück zu teilen. Natürlich hätten wir auch ganz klein, nur zu zweit oder mit der engsten Familie, feiern können. Das hätte uns fast nichts gekostet und so eine Mini-Hochzeit kann mit Sicherheit auch wunderschön sein. Wir haben uns aber bewusst für das große Fest entschieden. Wir wollten, dass die Menschen, die uns durch unser Leben begleiten, auch an diesem besonderen Tag dabei sind. Und dass sie etwas von dem mitbekommen, was uns wichtig ist: Ein toller Gottesdienst und richtig gutes veganes Essen zum Beispiel. Dafür haben wir gerne gespart und auf den letzten Urlaub verzichtet. Auch wenn die Rechnungen etwas weh getan haben, steht für uns fest: Jeder Euro war es wert geteilt zu werden.
Anna R.
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Mittwoch, 17. November 2021
Mir geht´s einmal im Monat ziemlich bescheiden; nämlich immer dann, wenn ich meine Menstruation bekomme. Oft wird das ja irgendwie umschrieben: „Ich habe meine Tage“. Aber meistens wird erst gar nicht darüber gesprochen, damit ja keiner was mitbekommt. Und ich verstehe es ja auch. Ich bin in einer total unangenehmen Situation: Ich blute, hab krasse Unterleibsschmerzen und manchmal noch ein ruiniertes Outfit. Und natürlich immer dann, wenn ich es so gar nicht gebrauchen kann. Klar will ich nicht, dass das jemand mitbekommt. Aber der Punkt ist: Gerade weil es ein Tabu ist und niemand darüber redet, ist es für mich so unangenehm.
Ich finde aber, dass es normal sein sollte, darüber zu sprechen. Denn die Menstruation ist genau das: völlig normal. Und wenn ich nicht gerade mit Bauchweh im Bett liege, finde ich sie sogar ein bisschen faszinierend. Sie ist Teil eines komplexen Zyklus. Durch diesen Zyklus entstehen Menschen. Ich bin auch so entstanden. Ich will mich nicht dafür schämen, dass ich meine Tage bekomme. Und ich finde es auch nicht okay, wenn Leute bei dem Thema das Gesicht verziehen. Niemand muss plötzlich anfangen, die Menstruation zu feiern. Das tue ich auch nicht. Aber ich fänd´s cool, wenn ich mit anderen ganz gelassen darüber reden könnte.
Anna R.
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Freitag, 05. November 2021
Vor der Bundestagswahl ist in meiner Familie ganz schön was los gewesen. Mit meinem Bruder und meinen Eltern haben wir zu viert einen Wahlabend veranstaltet und dabei alle Thesen des Wahl-O-Mats durchdiskutiert. Vom Klimawandel über außenpolitische Fragen bis hin zur Steuerpolitik. Es gab zwar viele Gemeinsamkeiten, aber in manchen Punkten sind wir uns einfach nicht einig geworden. Wir haben diskutiert und gestritten und manchmal einen Kompromiss gefunden.
Wenn das in meiner Kleinfamilie schon so schwierig ist; wie soll sich dann ein ganzes Land auf einen Kurs einigen? Genau vor dieser Herausforderung stehen ja auch die Parteien in Deutschland. Sie müssen sondieren, welche Politik mit wem und unter welchen Bedingungen machbar ist. Dabei ist klar: Es braucht Kompromisse. Keine Partei wird ihr Programm einfach durchziehen können – auch die nicht, die ich gewählt habe. Je länger ich darüber nachdenke, desto besser finde ich das aber. Kompromisse sind mühsam, ja. Ich muss zuhören und Rücksicht nehmen. Sie sind oft irgendwie unbefriedigend, weil ich immer auch zurückstecken muss. Aber am Ende sind sie die einzige Möglichkeit, wie ich mit anderen friedlich zusammenleben kann. Im Kleinen in der Familie. Und als Gesellschaft in einem Land.
Anna R.
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Sonntag, 26. September 2021
Manchmal führe ich Gespräche mit Freunden oder Bekannten, bei denen ich mich ziemlich unwohl fühle. Oft ist das so, wenn mein Gegenüber eine Meinung vertritt, die ich überhaupt nicht teile. Und leider traue ich mich dann oft nicht, zu widersprechen. Ich hab schon ganze Monologe darüber gehört, dass Frauen ja heute gleichberechtigt sind und wir aufpassen müssen, dass jetzt nicht die Männer unterdrückt werden. Obwohl ich das für totalen Quatsch halte, nicke ich dann manchmal, weil ich eine Bekannte nicht vor den Kopf stoßen will. Ich versuche, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen. Aber anschließend fühle ich mich richtig mies. Weil ich nicht für meine Überzeugungen eingestanden bin. Vor einiger Zeit habe ich mir vorgenommen, das zu ändern. Denn ich bin ja genauso vor den Kopf gestoßen, wenn ich mir sowas anhören muss. Und eigentlich ist es auch nicht fair, meinem Gegenüber zu verschweigen, wie ich wirklich denke. Für mich hat das auch mit Demokratie zu tun. Ich bin überzeugt: In einer Demokratie muss gestritten werden. Wir alle müssen andere Meinungen aushalten – auch dann, wenn es wehtut. Ich muss aushalten, dass mein Gegenüber keine Feministin ist. Ich kann ihr aber auch meine eigene Meinung zumuten. Nur so haben wir beide die Chance, etwas zu lernen und uns vielleicht irgendwo zu treffen. Seit ich Menschen öfter widerspreche, bin ich überrascht, wie gut das funktioniert. Viele sind erst einmal ganz schön perplex. Aber manchmal ist das der Beginn einer richtig guten Diskussion.
Anna R.
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Samstag, 11. September 2021
Vor kurzem ist Esther Bejarano gestorben. Sie hat als junge Frau den Holocaust überlebt und sich später gegen Rassismus und Antisemitismus eingesetzt – auch, indem sie ihre eigene Geschichte erzählt hat. Als ich von ihrem Tod erfahren habe, hab ich gedacht: Es sind jetzt nur noch ganz wenige. Wenige Überlebende, die noch selbst von dem erzählen können, was ihnen passiert ist. Ich finde es wichtig, dass ihre Geschichten nicht vergessen werden. Natürlich sind sie festgehalten, in Büchern und Videos. Aber es ist jetzt an uns, ihre Zeugnisse auch wirklich zu lesen, anzuschauen und weiterzuerzählen. Damit auch jede weitere Generation noch weiß, was passiert ist und nie wieder geschehen darf. Damit der Mord an 6 Millionen Jüdinnen und Juden nie in Vergessenheit gerät. Als Esther Bejarano noch gelebt hat, hat sie selbst es so formuliert: „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah.“
Anna R.
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Sonntag, 29. August 2021
Vor ein paar Wochen ist in meiner Familie etwas Furchtbares passiert: Ein Verwandter hatte einen tödlichen Unfall; er war erst 14 Jahre alt. Als ich davon erfahren habe, hat es sich wirklich angefühlt, als würde mir der Boden unter den Füßen weggerissen. Ich hab einfach nicht begreifen können, dass er plötzlich nicht mehr da ist. Er war gerade dabei, erwachsen zu werden und hatte sein ganzes Leben vor sich.
Ich kann mir nichts Sinnloseres vorstellen als diesen Tod. Und ich hab mich gefragt, wo Gott war, als es passiert ist. Wie er es einfach geschehen lassen konnte. Ich finde keine Antwort darauf. Ich weiß nur: Für mich war Gott in diesem Moment nicht da. Denn es gibt nichts, das diesen Tod rechtfertigen könnte. Wenn ein junger Mensch stirbt, dann gibt es daran nichts Gutes. Gott kann und darf das nicht gewollt haben.
In den Tagen nach dem Unfall ist die ganze Familie zusammengekommen. Alle haben versucht, einander Halt zu geben und sich gegenseitig durch die Trauer zu tragen. Gemeinsam teilen wir den Schmerz und die Erinnerung. Wir sind füreinander da. Und darin ist für mich Gott.
Anna R.
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Sonntag, 15. August 2021
Weil ich in den letzten Monaten so viel Zuhause gewesen bin, hab ich mir einige neue Hobbies zugelegt. Ich hab Nähen gelernt, Brot gebacken und mit Käsekulturen veganen Camembert gezüchtet. Es macht mir Spaß, mit meinen eigenen Händen etwas herzustellen. Wenn die ganze Wohnung nach frischem Brot duftet und ich ein selbstgenähtes Kleid in Händen halte, ist das ein gutes Gefühl. Ich bin stolz auf meine Arbeit.
Bei gekauften Produkten ist das oft anders. Ich konsumiere sie einfach, ohne groß darüber nachzudenken. Sie sind für mich ganz selbstverständlich da. Ich will aber auch diese Produkte wertschätzen. Und vor allem die Menschen, die dahinter stehen. Denn nur weil ich etwas nicht selbst gemacht habe, steckt ja nicht weniger Arbeit und Hingabe darin. Klar: Selbst gemacht ist immer irgendwie besonders. Aber wenn ich beim Bäcker im Ort ein Brot kaufe, weiß ich: Er hat heute um 2 Uhr morgens angefangen, zu arbeiten, hat den Teig geknetet und mit jahrelanger Übung die perfekte, goldene Kruste gebacken. Gekauft ist für mich deshalb nicht schlechter als selbstgemacht. Im Gegenteil: Ich bin dankbar für all die Menschen, die mit ihrem Können mein Leben reicher machen.
Anna R.
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Mittwoch, 11. August 2021
Im Moment bekomme ich einfach nichts auf die Reihe. Ich hab so viel zu tun – in der Uni und auf der Arbeit. Und ich merke, dass ich nie ganz bei der Sache bin, ich kann mich nicht konzentrieren und vergesse sogar wichtige Termine. Ich weiß auch, woran das liegt: Vor ein paar Wochen gab es in meiner Familie einen Todesfall, der mich noch immer beschäftigt. Ich hab das noch nicht ganz verarbeitet, aber gleichzeitig läuft mein Leben einfach weiter. Manchmal denk ich: Reiß Dich zusammen. Du kannst Deine Hausarbeit nicht noch länger aufschieben. Und bei Deinem Job solltest Du Dich auch mal wieder einbringen. Aber das funktioniert einfach nicht. Und eigentlich will ich mir auch Zeit nehmen für meine Trauer. Es gibt eine Stelle in der Bibel, die mir dabei hilft. Im Buch Kohelet heißt es: „Für alles gibt es eine bestimmte Stunde. Und jedes Vorhaben unter dem Himmel hat seine Zeit. Eine Zeit für die Geburt und eine Zeit für das Sterben. […] Eine Zeit zum Weinen und eine Zeit zum Lachen. Eine Zeit zum Klagen und eine Zeit zum Tanzen.“ Ich weiß, dass auch für mich wieder eine Zeit zum Lachen und Tanzen kommt. Und eine Zeit, in der ich mich ganz auf meine Arbeit konzentrieren kann. Aber noch ist es nicht so weit. Und das ist ok.
Anna R.
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Freitag, 30. Juli 2021
Endlich ist Sommer. Die Sonne und das warme Wetter machen einfach gute Laune! Und: Ich konnte endlich meine Sommergarderobe aus dem Keller holen. Statt dicken Pullovern gibt es jetzt bunte Kleider und T-Shirts… dachte ich jedenfalls. Aber als ich vor ein paar Wochen meine Sommerkleider aus dem Keller geholt habe, gab´s die böse Überraschung: Meine Oberteile spannen ziemlich und den Reißverschluss an meinem Lieblingskleid bekomme ich gar nicht mehr zu. Meine gute Laune war da sofort im Eimer. Für mich ist das ein heikles Thema. Denn obwohl ich weiß, wie blöd das ist, hängt mein Selbstwertgefühl doch ziemlich mit meiner Kleidergröße zusammen. Als Größe 36 oft nicht mehr gepasst hat, hab ich das irgendwann verwunden. Aber wenn jetzt selbst die 38 zu klein wird… Ich hab mich auf einen Schlag richtig mies gefühlt. Eigentlich ist das doch verrückt: Vorher hab ich gar nicht gemerkt, dass ich zugenommen habe. Ich hab mich wohlgefühlt, hab einigermaßen gesund gegessen und Sport gemacht, weil ich Lust darauf hatte – ohne Druck. Meinem Körper geht es gut. Und es ist auch ganz normal, dass er sich über die Zeit verändert. Vielleicht pendelt sich mein Gewicht ja wieder ein. Und wenn nicht: so what?! Dann trage ich ab jetzt eben eine 40. Meinen Sommer lasse ich mir davon bestimmt nicht verderben.