Anna-Marleen
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Sonntag, 17. Januar 2021
Das Handy klingelt und meine Freundin ist dran: Wir haben uns schon länger nicht mehr gehört und quatschen voll drauf los. Sie erzählt mir von einem coolen Projekt, an dem sie grade arbeitet. Und eine Japanreise für nächstes Jahr haben ihr Freund und sie jetzt auch gebucht.
Als ich auflege, habe ich plötzlich ein komisches Gefühl. Ich fange an, mich mit meiner Freundin zu vergleichen: Bei der Arbeit läuft´s bei mir momentan eher routiniert. Und sowas cooles wie einen Japanurlaub plane ich auch nicht. Auf einmal bin ich unzufrieden mit meinem Leben.
Ich habe mal in einem Buch den Satz gelesen: Vergleiche dich nicht mit anderen, sondern mit der Person, die du gestern warst.
Das probiere ich aus. „Gestern“, oder sagen wir mal vor einem halben Jahr war ich noch nicht so routiniert bei der Arbeit. Da musste ich mich noch mühsam in die ganzen Abläufe einarbeiten und ständig bei Kollegen nachfragen. Und vor einigen Monaten hatte ich noch einen fiesen Streit mit einem Freund und war so beleidigt, dass ich mich gar nicht mehr bei ihm melden wollte. Mittlerweile habe ich es geschafft, auf ihn zuzugehen. Obwohl ich mir das damals nie hätte vorstellen können.
Mich mit meiner Freundin oder anderen zu vergleichen, bringt nichts. Mich mit mir selbst zu vergleichen, bringt mich dagegen tatsächlich weiter. So kann ich meine Energie dafür nutzen, das zu verändern, was ich in meinem Leben vielleicht tatsächlich verändern will.
Anna-Marleen
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Freitag, 15. Januar 2021
Ich brauche unbedingt ein neues Handy! Naja, ehrlich gesagt: Von „brauchen“ kann keine Rede sein. Mein Altes funktioniert noch gut. Trotzdem hätte ich gerne ein Neues, mit besserer Kamera und schönerem Design. Auch wenn das nicht billig ist.
Dass ich mir etwas Neues kaufe, obwohl es teuer ist und ich es gar nicht brauche – das kommt bei mir schon mal vor.
Ich überlege, wieviel Geld ich schon für unnötige Sachen ausgegeben habe und wie lange ich dafür arbeiten musste. Da habe ich echt viel meiner Zeit in Geld investiert.
Anstatt meine Zeit in Geld zu investieren, um Dinge zu kaufen, die ich gar nicht brauche, wie wäre es, wenn ich es in Zukunft genau umgekehrt mache: Wenn ich mein Geld in Zeit investiere? Zum Beispiel in einen Abend mit meinen Freunden, einen Ausflug mit meiner Familie oder einen Urlaub mit meinem Freund.
Mein neues Handy ist bald wieder veraltet und auch sonst gehen viele Dinge kaputt oder sind mir irgendwann nicht mehr wichtig. Aber die Zeit, die ich mit anderen verbracht habe, kann mir niemand mehr nehmen. Ich kann mich immer daran erinnern, wie schön das war.
Anna-Marleen
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Mittwoch, 25. November 2020
Als kleines Kind hatte ich oft Angst im Dunkeln. Wenn ich nachts im Bett gelegen bin, habe ich ängstlich in die dunklen Ecken meines Kinderzimmers gestarrt: Lauert da vielleicht ein böses Monster neben meinem Kleiderschrank?
Heute bin ich erwachsen und trotzdem: Manchmal habe ich immer noch Angst im Dunkeln.
Wenn alles um mich herum dunkel ist, dann sehe ich nur noch meine Gedanken.
Mir kommen die schwierigen Sachen in den Sinn, die ich irgendwie hinkriegen muss. Am Tag machen sie mir keine großen Sorgen. Aber im Dunkeln werden sie plötzlich ganz groß. Sie kriegen so viel Macht, dass ich gar nicht mehr loskomme von dem, was ich denke. Meine Gedanken werden zu Monstern und machen mir Angst.
Als Kind habe ich nachts einfach schnell das Licht angemacht und in die Ecken geschaut. Dann konnte ich sehen: mein Zimmer ist monsterfrei. Aber wie mache ich in den dunklen Ecken meines Kopfes das Licht an?
Ich kann meine Ängste nicht einfach ausknipsen. Aber ich kann nachschauen, ob das, wovor ich Angst habe, wirklich zum Fürchten ist. Zum Beispiel die Präsentation morgen. Habe ich so was nicht schon oft gut gemeistert? Wenn ich das morgen geschafft habe, fühle ich mich besser, das weiß ich. Und da will ich hin.
In meinem Kopf wir es etwas heller. Meine Sorgen sind noch da. Aber sie sehen auf einmal viel harmloser aus.
Anna-Marleen
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Sonntag, 01. November 2020
Push- und Pull-Faktoren. Diese Begriffe kommen aus der Migrationsforschung. Mit „Push“ und „Pull“ erklärt man, warum jemand abwandert oder flüchtet. Zum Beispiel vom Land in die Stadt. Ein Push-Faktor können schlechte Jobaussichten sein. Sie „drücken“ die Menschen vom Land „weg“. Beim Pull-Faktor ist es grade anders herum. Da zieht etwas die Menschen an, wie zum Beispiel bessere Arbeit in den Stätten.
Ich glaube, dass es so etwas wie Push und Pull auch in meinem Leben gibt.
Pushen kann mich zum Beispiel meine eigene Unzufriedenheit. Anstatt mich über das, was ich erreicht habe, zu freuen, setze ich mich unter Druck. Dass ich nicht mit mir zufrieden sein kann, drängt mich immer weiter und weiter, und irgendwann bin ich total überfordert.
Ein Pull-Faktor ist für mich dagegen die Beziehung zu meinem Freund. Wir sind schon lange total happy zusammen und spüren, dass es Zeit ist, den nächsten Schritt zu machen. Das wir immer zusammenbleiben wollen, zieht uns in unserer Beziehung weiter: wir wollen heiraten.
Mir wird deutlich: In meinem Leben bin ich immer in Bewegung. Aber während Push-Faktoren mich stressen und weitertreiben, ziehen mich die positiven Ziele in meinem Leben wie von selbst an. Das fühlt sich oft ganz leicht an und ich brauche nur zu folgen. Ich weiß dann: das ist das Richtige für mich. Die passende Richtung auf meinem Weg.
Anna-Marleen
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Samstag, 31. Oktober 2020
Kein Stress, keine Termine - dafür Sommer und Entspannung pur. So sieht für mich der perfekte Urlaub aus.
Nach so lockeren und freien Tagen fällt es mir oft schwer, wieder in den Arbeitsalltag zu starten. Dann sehe ich alle Aufgaben und Termine auf einmal. Wie soll ich das bloß alles schaffen?
Mir fällt eine Geschichte aus dem Roman „Momo“ von Michael Ende. Darin erzählt der Straßenkehrer Beppo seiner Freundin Momo einmal, wie er es schafft, bei seiner Arbeit zufrieden zu sein, obwohl seine Aufgaben eigentlich nie weniger werden. Beppo sagt: „Der Fehler beim Straßenkehren ist, an die ganze Straße zu denken, die vor dir liegt. Dann glaubst du, so eine lange Straße kann ich niemals schaffen.“ Und dann erklärt Beppo seinen Trick: Denke immer nur an den nächsten Schritt. Auf einmal merkst du, dass du Schritt für Schritt die ganze Straße geschafft hast. Ohne, dass du dabei aus der Puste gekommen bist.
Wenn ich das nächste Mal aus dem Urlaub komme, mache ich das auch so: Schritt für Schritt. Zum Beispiel erst die Mails lesen, dann die Termine für die erste Woche planen und danach die wichtigsten Anrufe machen.
Das Beste ist: Das Prinzip Beppo hilft mir nicht nur nach dem Urlaub, sondern immer dann, wenn ich eine Riesenherausforderung vor mir habe. Denn wie groß die Herausforderung auch ist: In kleinen Schritten kann ich Großes schaffen.
Anna-Marleen
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Samstag, 17. Oktober 2020
Abgesagt. Als es mit Corona im März richtig los ging, habe ich dieses Wort ständig irgendwo gehört. Klar, in der Zeit des Lockdowns waren gemeinsame Treffen oder Veranstaltungen so gut wie unmöglich. Aus guten Gründen.
Jetzt, viele Monate nach dem Lockdown begegnen mir solche Absagen aber immer noch häufig. Obwohl die Corona-Verordnungen es zulassen, tun sich viele Leute mit der Planung schwer und sagen deshalb lieber gleich die ganze Sache ab.
Corona klingt für mich dann oft wie eine Ausrede. Ausreden sind für mich in vielen Situationen eine Art Notausgang: Wenn eine Sache mich fordert, wenn etwas unangenehm oder schwierig wird, dann kann ich sagen: „Das ist viel zu schwierig“ oder „Dafür hab ich nicht genug Zeit“ und zack, habe ich viel weniger Arbeit.
Jetzt habe ich trotz Corona wieder Aktionen geplant und gemerkt: es macht Spaß, das, was möglich ist, in die Hand zu nehmen. Zum Beispiel in der Kirche: Da haben wir einen tollen Tag mit Freizeitaktionen für Kinder und Jugendliche auf die Beine gestellt.
Ob es um das Organisieren einer Aktion unter Coronabedingungen geht oder um andere Dinge, die mich herausfordern: Ich will mich nicht von meinen eigenen Ausreden ausbremsen lassen, sondern das versuchen, was aus guten Gründen möglich ist.
Anna-Marleen
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Sonntag, 09. August 2020
Ich bin total harmoniebedürftig. Nur wenn ich mich mit allen gut vertrage, bin ich wirklich happy. Mit anderen zu streiten, stresst mich sehr.
Noch wichtiger sind mir aber meine Überzeugungen; also das, woran ich glaube und was ich für richtig halte.
Wenn um mich herum jetzt was passiert oder gesagt wird, das meinen Überzeugungen widerspricht, dann kann ich das nicht einfach so hinnehmen. Zum Beispiel wenn etwas ungerecht ist. Dann muss ich etwas dagegen tun.
Das Problem dabei ist: Wenn ich in solchen Situationen Stellung beziehe, kann ich damit rechnen, dass es zu Streit kommt. Und grade vor offenen Konflikten habe ich ja eigentlich Angst. Es wäre aber feige, deswegen meinen Mund zu halten, mich einfach weg zu ducken. Also muss ich tapfer sein.
Beim Wort „tapfer“ denkt man vielleicht erstmal an unverwundbare Kinohelden. Aber ich glaube, tapfer zu sein, bedeutet nicht, unverwundbar zu sein und keine Angst zu haben, sondern: etwas anzugehen, obwohl man Angst hat, z.B. vorm Streiten.
Wenn ich für meine Überzeugungen eintrete, dann kann es passieren, dass ich mich mit anderen fetzen muss. Es fällt mir schwer, das in Kauf zu nehmen. Aber tapfer zu sein, bedeutet eben genau das: Dass ich trotzdem bereit bin, mich für etwas Wichtiges einzusetzen.
Anna-Marleen
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Donnerstag, 06. August 2020
Es gibt einen Satz von Jesus, der fordert mich echt heraus: „Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin!“
Ich muss daran denken, wie mich letztens auf der Arbeit jemand am Telefon richtig zur Schnecke gemacht hat. Ich hatte gar nichts falsch gemacht, war professionell und freundlich. Trotzdem musste ich mir am Telefon einiges von diesem Mann anhören. Ich hab mich dabei ungerecht behandelt, richtig ohnmächtig gefühlt. Und so jemandem, soll ich keinen Widerstand leisten, sondern auch noch die andere Wange hinhalten? Sorry, aber ich bin doch kein Fußabtreter.
Dass man sich alles gefallen lassen muss, das hat Jesus mit diesem Satz glaube ich auch nicht gemeint. Sondern: Zurückschlagen und mich rächen hilft mir in so einer Situation nicht weiter.
Wenn ich am Telefon zurückkeife, dann eskaliert vermutlich nicht nur die Situation, sondern ich lasse mich auch auf das üble Spiel von diesem Menschen ein. Viel besser ist es, dem Rat von Jesus zu folgen, denn das heißt: den Angriff einfach ins Leere laufen zu lassen. Zum Beispiel indem ich dem Typen sage, dass ich nicht bereit bin, mich in diesem Ton weiter zu unterhalten und dann einfach auflege. Ich leiste keinen Widerstand, sondern überlasse diesem Menschen seiner eigenen Wut. Die ist ab sofort nur noch sein, und auf keinen Fall mein Problem.
Anna-Marleen
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Mittwoch, 05. August 2020
Ein junges Mädchen namens Agnes wartet aufgeregt auf ein Bewerbungsgespräch. Da bekommt sie den Tipp, dem Chef beim Gespräch einfach zu sagen, er sei schön. Das würde wahre Wunder wirken. Und es sei auch kein unehrliches Kompliment, weil: Wenn man jemandem sagt, dass er schön ist, macht ihn das schön. Agnes probiert das beim Bewerbungsgespräch gleich aus; sie sagt dem Chef, er sei schön. Und der ist total perplex. Denn eigentlich hält ihn jeder für einen fiesen Typen. Aber ab dem Moment, wo er von Agnes hört, er sei schön, fängt er an sich zu verändern. Er wird richtig liebenswürdig und ist zu allen nett und freundlich.
Diese Geschichte erzählt das Theaterstück „Der Apoll von Bellac“. Wenn man jemandem sagt, dass er schön ist, macht ihn das schön. Aus diesem Kerngedanken hat sich sogar eine Methode in der Psychotherapie entwickelt, die sogenannte Bellac-Technik.
Was mir dadurch klar geworden ist: Anstatt auf negative Menschen negativ zu reagieren und sie so vielleicht weiter in ihre fiesen Rollen zu drängen, warum nicht einfach mal probieren, nett und freundlich zu ihnen zu sein? Einen echten Fiesling so zu behandeln als sei er eigentlich ein guter Mensch, bringt seine guten Seiten vielleicht erst hervor. Wenn ich selbst meine Haltung gegenüber anderen Menschen verändere, kann ich sie dadurch dazu bringen, sich auch zu verändern. Ich hab mir fest vorgenommen, diese Bellac-Technik mal auszuprobieren.
Anna-Marleen
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Dienstag, 04. August 2020
In meinem Beruf schreibe ich viel. Das sind ganz unterschiedliche Texte: Arbeitsblätter für den Reli-Unterricht, Texte für Websiten, Ansprachen im Gottesdienst – und natürlich schreibe ich auch fürs Radio.
Obwohl das Schreiben mir viel Spaß macht, ist es auch ganz schön anstrengend. Oft habe ich dabei nämlich die Idee von einem perfekten Text vor Augen. Das führt dazu, dass ich die Sätze immer und immer wieder umstelle, an Formulierungen rumpfeile und dann doch wieder von vorne anfange. Weil ich mit dem Ergebnis nie zufrieden bin, werde ich auch nicht mit dem Schreiben fertig. Das ist frustrierend.
Den perfekten Text zu schreiben ist eigentlich unmöglich. Wie ein unerreichbares Ideal, eine Utopie.
Tatsächlich wird das, was ich beim Schreiben erlebe, in der Psychologie das Utopie-Syndrom genannt: Man setzt sich ein utopisches, also eigentlich unerreichbares Ziel und verhindert dadurch, dass man überhaupt vorankommt. Indem ich versuche, den perfekten Text zu schreiben, schreibe ich überhaupt keinen, vor allem nicht den, den ich schreiben könnte.
Natürlich ist es gut, sich hohe Ziele zu setzen. Visionen sind wichtig. Aber ich glaube, es kommt dabei auf das Maß an. Anstatt der Utopie von einem perfekten Text nachzujagen, den es nie geben wird, will ich zukünftig versuchen, das zu erreichen, was realistisch ist und was ich wirklich leisten kann.