Carina
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Samstag, 23. März 2024
Ich bin die erste in meiner Familie, die zur Uni geht. Deshalb bin ich ein sogenanntes „Arbeiterkind“. Das heißt, meine Eltern haben beide nicht studiert. Ich finde es krass, wie viel Einfluss das Elternhaus in Bezug auf die eigene Ausbildung und Berufswahl hat.
Statistiken sagen, dass zum Beispiel nur 27% der Arbeiterkinder auf die Uni gehen.
Das liegt nicht daran, dass Arbeiterkinder weniger können oder weniger Lust darauf haben. Ihre Eltern raten oft von einem Studium ab. Ich hab gelesen, dass sie vor allem Angst haben, dass ihre Kinder mega lang studieren, währenddessen ja auch noch kein Geld verdienen und im schlimmsten Fall dann doch keinen Job kriegen. Meine Eltern waren zum Beispiel richtig froh, als ich beschlossen habe, auf Lehramt zu studieren. Weil der Lehrerberuf doch so ein sicherer Job ist, bei dem man später verbeamtet werden kann.
Genauso hab ich es aber auch andersrum erlebt: Die meisten in meiner Klasse hatten Eltern, die studiert haben. Und die haben ihnen oft viel stärker zu einem Studium geraten, als zu einer Ausbildung.
Wahrscheinlich wollen Eltern meistens nur das Beste für ihr Kind. Und das ist dann eben das, was sie selbst kennen.
Ich find's aber wichtig, dass man den Berufsweg geht, der zu einem passt. Und dabei ist die eigene Meinung wichtiger als die der Eltern.
Carina
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Freitag, 22. März 2024
Gestern hatte ich meine allerletzte Therapiestunde. Eineinhalb Jahre hab ich meine Therapeutin fast jede Woche gesehen. Und jetzt bin ich einfach wieder auf mich allein gestellt.
In der Therapie konnte ich all meine Probleme mit ihr besprechen. Und hab mich so im Umgang mit meinen Ängsten viel sicherer gefühlt. Deshalb hatte ich jetzt auch total Schiss, wie es ist, wenn diese Unterstützung wegfällt.
Als ich das meiner Therapeutin erzählt hab, hat sie mich nur angelächelt. Sie meinte, sie würde mich ja nicht gehen lassen, wenn sie nicht wüsste, dass ich es allein schaffe. Und, dass ich dran denken soll, was ich seit meiner ersten Stunde schon alles erreicht habe.
Ich durfte mir ihre Notizen von damals durchlesen und war wirklich ein bisschen baff. Die Person, die sie da beschrieben hat, hatte Sorgen, die ich heute gar nicht mehr richtig nachvollziehen kann. Als wir gemeinsam reflektiert haben, was sich seither alles zum Positiven verändert hat, haben wir festgestellt, dass die meisten der Sorgen und Ängste von damals weniger geworden sind. Und manche sind sogar ganz verschwunden.
Ich vergesse viel zu oft, wie weit ich schon gekommen bin, wie stark ich geworden bin. Und dass ich stolz darauf sein darf. Dieses Gefühl will ich mir für die kommende Zeit bewahren.
Carina
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Donnerstag, 21. März 2024
Ich bin eine People Pleaserin. People Pleasing ist englisch und heißt übersetzt sowas wie „Leute zufriedenstellen“. Menschen wie ich wollen es immer allen Recht machen und achten dabei nicht auf ihre eigenen Bedürfnisse.
Wenn mich Freunde fragen, ob ich spontan Zeit habe, sage ich ja, auch wenn ich eigentlich was für mich machen wollte. Wenn ich irgendwo eingeladen bin, gehe ich hin, auch wenn ich eigentlich keine Lust habe. Und wenn mich meine Mitbewohnerin fragt, ob ich nicht noch ein Paket für sie abgeben könnte, mache ich es, auch wenn die Post so überhaupt nicht auf dem Weg liegt und ich eigentlich keine Zeit dafür habe.
Ich hab Angst, dass die andere Person denkt, dass ich sie nicht mag, wenn ich nein sage. Oder, dass sie enttäuscht von mir ist und mich nicht mehr mag.
Das Schlimmste dabei ist: Ich sage so oft nicht die Wahrheit, ich spiele anderen etwas vor und übergehe mich dabei selbst. Ich weiß, dass ich weder anderen noch mir einen Gefallen damit tu. Eine Freundin, die das auch kennt, hat mir empfohlen, mir mehr Zeit zu nehmen, bevor ich bei irgendwas ja sage. Um so nicht aus der Angst heraus zu entscheiden.
Im Moment krieg ich das noch nicht so hin. Deshalb hab ich jetzt schon ein paar Mal einfach angesprochen, dass ich Probleme damit hab, nein zu sagen. Und bin tatsächlich auf sehr viel Verständnis gestoßen.
Carina
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Dienstag, 19. März 2024
Meine Oma ist gestorben. Und obwohl sie davor wegen einem Schlaganfall schon lange krank war und ich damit gerechnet hab, hat mich ihr Tod irgendwie… umgehauen. Ich kanns einfach nicht fassen, dass ich jetzt in einer Welt leb, in der sie nicht mehr ist.
Seit der Beerdigung war ich noch nicht ein Mal an ihrem Grab. Und deswegen schäme ich mich grad so. Irgendwie hab ich das Gefühl, ich würde sie vernachlässigen und dass mir ihr Tod nichts bedeuten würde, wenn ich sie da nicht besuch.
Und obwohl ich die Zeit gehabt hätte, auf den Friedhof zu fahren, hab ich mich davor gedrückt. Nicht, weil ich Angst hab, dass ich plötzlich ganz traurig werden könnte. Damit könnte ich glaub umgehen. Es ist eher so, dass ich nicht weiß, was ich dann da machen soll. Soll ich mit ihr reden? Ist sie an ihrem Grab überhaupt mehr da als irgendwo anders?
In den letzten Wochen habe ich oft über meine Oma nachgedacht. Und bin in alten Erinnerungen geschwelgt. Da ist mir aufgefallen, dass es Dinge gibt, die ich mit ihr verbinde. Eine alte Fernsehshow zum Beispiel oder ein bestimmter Song. Wenn ich daran denk, kann ich sie spüren und mich besonders gut an sie erinnern. Ob ich an ihrem Grab auch so an sie denken kann, weiß ich nicht, ich habs ja noch nicht ausprobiert. Mir ist klar geworden, dass sie ab jetzt nicht mehr nur an einem Ort ist. Sondern überall da, wo ich sie finden will.
Carina
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Montag, 18. März 2024
Ich bin vor über vier Jahren von zu Hause ausgezogen. Und hab seither immer wieder Schuldgefühle meiner Familie gegenüber. Ich denke, dass ich nicht genug für sie da bin. Letztes Jahr haben sie renoviert und ich konnte nicht kommen, um ihnen zu helfen. Und als meine Oma gestorben ist, konnte ich nur kurz übers Wochenende zu ihnen fahren, weil ich in die Uni musste. Ich hab sie mit der ganzen Arbeit rund um die Beerdigung allein gelassen.
Als ich an Weihnachten zu Hause war, hab ich mit meiner Mama darüber geredet. Und sie war total verwundert, dass ich das Gefühl hab, nicht genug für sie alle da zu sein. Sie meinte, dass sie nie auch nur den Gedanken hatte, dass das so sein könnte. Und dass ich ihnen ganz viel zurückgeben würde.
Meine Eltern haben nicht studiert. Ich bin die erste in der Familie, die Abitur gemacht hat und an die Uni gegangen ist. Für meine Eltern bedeutet das viel. Meine Mama hat gemeint, dass mein Papa und sie deshalb mega stolz auf mich sind und ich sie damit glücklich mache. Dass sie denken, dass ich mir mit allem so viel Mühe gebe. Und es doch auch normal ist, dass die Kinder irgendwann ausziehen und ihren eigenen Weg gehen.
Ich konnte gar nichts mehr sagen und hab einfach nur eine ganz große Dankbarkeit gefühlt.
Carina
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Dienstag, 20. Februar 2024
Ich bin grad umgezogen. Und obwohl die neue Wohnung noch aussieht, als wär ein Tornado durchgefegt, hab ich mich schon richtig gut eingelebt. Was mir den Start so erleichtert hat, war auf jeden Fall meine Familie.
Meine Eltern und meine Brüder waren so lieb und haben ein ganzes Wochenende damit verbracht, meine Möbel zu schleppen, aufzubauen und Zeug anzuschrauben.
Manche sagen jetzt vielleicht, dass es doch selbstverständlich ist, dass einem die Familie beim Umzug hilft. Aber ich weiß, dass nicht alle auf die Unterstützung ihrer Familie zählen können.
Vielleicht ist es mir deshalb so schwergefallen, die Hilfe einfach anzunehmen. Ich hab die ganze Zeit versucht, ihnen direkt was zurückzugeben und mich tausendmal bedankt. Obwohl sie mir ja gern geholfen haben und dafür keine Gegenleistung wollten.
Ich hab die Erfahrung auch schon selbst gemacht: Ich find's total unangenehm, wenn ich jemandem eine Freude machen will und derjenige das dann gar nicht auf sich beruhen lassen kann.
Akzeptieren zu können, dass jemand mir auch mal gern hilft, weil er mich mag und mir was Gutes tun will, das hab ich aus diesem Umzug für mich mitgenommen.
Carina
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Mittwoch, 07. Februar 2024
Ich hab mich mit meinem Freund gestritten. Klar, es ist normal, dass man sich in ner Beziehung mal streitet. Und meistens versöhnen wir uns auch schnell wieder. Zumindest oberflächlich. Denn manchmal bin ich so verletzt, dass es mir voll schwerfällt, ihm auch wirklich zu vergeben. Also innen drin.
Ich bin sehr sensibel und emotional. Deshalb gehen mir Streitigkeiten teilweise echt nah. Generell schwirrt mir Negatives oft noch tage- oder wochenlang im Kopf rum. Vielleicht macht mir das das Vergeben so schwer. Obwohl ich meinem Freund nach nem Streit vergeben will, läuft die Situation wie ein Film nochmal in meinem Kopf ab und zack, bin ich fast so verletzt wie in dem eigentlichen Moment.
Ich weiß, es hilft mir nicht, den Streit immer und immer wieder für mich durchzugehen. Und es ist auch nicht gut, dass ich es oft für mich behalte, wenn ich innerlich noch nicht damit abgeschlossen hab. Vermutlich könnte ich ihm leichter vergeben, wenn wir über unseren Streit reden würden. Aber es fällt mir einfach total schwer emotionale Themen anzusprechen. Ich weiß, dass es wahrscheinlich lange dauern wird und mir auch weiterhin schwerfallen wird, aber ich will daran arbeiten. Damit ich wirklich vergeben kann und den Streit nicht mehr mit mir rumschleppen muss.
Carina
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Dienstag, 06. Februar 2024
Ich dachte Jahre lang: Ich bin extrovertiert. Und so hab ich mich auch immer verhalten. Ich hab keine Gelegenheit ausgelassen, mich mit Freunden zu treffen oder auf Partys zu gehen. Wirklich viel Zeit für mich blieb da eigentlich nie. Und ich hab auch gedacht, dass ich das gar nicht brauch.
So langsam bin ich mir aber unsicher, ob ich meine Energie wirklich so sehr aus sozialen Beziehungen ziehe. Ich glaub, dass ich bisher einfach davon ausgegangen bin, dass ich extrovertiert sein muss, um dazuzugehören.
Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass ich manchmal insgeheim froh bin, wenn meine Freunde auch wieder gehen und ich mein Buch weiterlesen kann. Oder wie sehr ich es brauche, dass mal vollkommene Stille um mich rum herrscht. Oder auch, wie sehr ich Smalltalk hasse und wie schwer es mir fällt, neue Leute kennenzulernen. Ob ich jetzt deshalb gleich introvertiert bin oder nicht ist wahrscheinlich gar nicht so wichtig. Ich muss ja keinem bestimmtem Rollenbild entsprechen. Mir hats schon was gebracht, einfach mal genau hinzuschauen, was mir wirklich gut tut. Und wozu ich in Zukunft vielleicht auch mal guten. Gewissens. einfach „nein“ sagen darf.
Carina
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Freitag, 26. Januar 2024
Ich war bei nem Vortrag, bei dem ne Frau gesagt hat: „Wir müssen öfter aufgeben!“. Dadurch hat sie mir ne völlig neue Perspektive auf das Thema gegeben.
Sie hat gemeint, dass Aufgeben voll gut sein kann. Weil man manchmal nur noch an Dingen festhält, um nicht für schwach oder erfolglos gehalten zu werden.
Ich konnte ihr sofort zustimmen. Wie oft hab ich schon Dinge durchgezogen, obwohl ich sie nicht machen wollte? Ich glaube, dass das Problem ist, dass ich Erfolg als Nicht-aufgeben verstehe. Und ich hab Angst, was andere über mich denken, wenn ich aufgebe. Dass sie denken, ich bin schwach oder einfach faul. Dabei macht es doch keinen Sinn, an Dingen festzuhalten, die ich eigentlich gar nicht wichtig finde. Und die ich nur durchziehe, weil andere es von mir erwarten.
Sicher, es gibt auch Momente, in denen man nicht aufgeben sollte. Wenn einem etwas wirklich am Herzen liegt zum Beispiel. Dann fühlt sich Aufgeben auch eher nach einem Verlust als nach einer Befreiung an. Wahrscheinlich liegt da der Unterschied.
Seit ich den Vortrag gehört hab, hab ich mir fett vorgenommen, immer genau zu überlegen, wie wichtig mir etwas wirklich ist. Wenn ich etwas nur durchziehe, weil ich denke, dass es andere von mir erwarten, ist Aufgeben ok, sogar gut. Und immer meine Entscheidung.
Carina
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Donnerstag, 25. Januar 2024
Ich hab über Weihnachten mal wieder in meinem alten Kinderzimmer übernachtet. Was ich da so alles gefunden hab! Kinderbücher, alte Klamotten und Fotos… lauter Zeug, das ich bei meinem Auszug nicht mitgenommen hab.
An nem Klassenfoto aus der zehnten bin ich ewig hängen geblieben. Das ist sieben Jahre her. Auf dem Foto seh ich noch jünger aus und hab kurze Haare. Seither hab ich mich aber nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich verändert. Zum Beispiel fühl ich mich jetzt selbstsicherer, ich kenne meine Schwächen besser und ich weiß, was mir wichtig ist.
Ich hab mal gelesen, dass sich unser Körper alle sieben Jahre einmal komplett erneuert hat. Alle Zellen, die sterben können, sind dann mindestens ein Mal ausgetauscht worden. Mein Körper grad ist also komplett anders zusammengesetzt als der auf den alten Fotos. ICH bin jetzt anders.
Der Vergleich mit den Zellen erinnert mich dran, dass Veränderung was Natürliches ist. Auch wenn ich mein altes Ich von dem Foto ein bisschen cringe find, hab ich das Gefühl, dass dieses Ich damals genau richtig war. Selbst wenn ich da noch unsicherer war, hätte ich mich ohne genau diese „Version“ von mir nicht zu der Person entwickelt, die ich heute bin. Und deshalb, ich bin echt schon gespannt, wie ich in sieben Jahren auf mein jetziges Ich zurückschaue.