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An einem Bahnhof haben wir umsteigen müssen und dann ging´s los: Ein Zug nach dem anderen ist ausgefallen. Wir haben super schweres Gepäck dabei, es ist eiskalt und dunkel und wir stehen an einem Bahnhof, in einer Kleinstadt, die wir nicht kennen, na klasse. Wir sind richtig genervt gewesen, weil wir ja auch noch todmüde waren von der Party am Abend vorher.
Irgendwann hat sich unsere Stimmung aber verändert. Wir konnten die Situation irgendwie mit Humor nehmen. Es gab da ne kleine Bahnhofshalle. Da haben wir einfach unsere Sachen ausgebreitet. Rucksäcke und Jacken auf den Boden. Wir haben uns hingesetzt und zwischen all den wartenden Menschen angefangen, die Essensreste auszupacken, die wir noch dabeihatten. Salzstangen und Dips. Und mein Freund hat sich noch ein Bier gekauft. Picknick im Bahnhof.
Nach Hause gekommen sind wir an dem Tag übrigens nicht mehr. Irgendwann haben wir einen Zug zurückgenommen. Aber auch jetzt im Nachhinein finde ich das gar nicht schlimm. Weil wir bei unserem Picknick eine gute Zeit hatten.
Während unsere Gäste da waren, haben wir viel Zeit damit verbracht, uns um sie zu kümmern. Wir haben für alle gekocht und manchmal haben wir improvisieren müssen. Noch schnell zur Apotheke, weil jemand ein Medikament braucht zum Beispiel.
Das war ganz schön anstrengend. Aber trotzdem ist auch total schön gewesen, Gastgeber zu sein.
Durch all die Planung und Mühe, die wir in die Tage gesteckt haben, haben wir unseren Freunden etwas Gutes tun können. Das hat auch uns Spaß gemacht. Und es ist einfach schön, zu sehen, wie sehr unsere Freunde die Zeit genossen haben. Dafür hat sich der ganze Stress echt gelohnt.
Aber nach der Schulzeit haben wir uns irgendwie aus den Augen verloren. Wir haben uns nicht gestritten oder so. Nur völlig verschiedene Dinge gemacht. Ich bin ins Ausland gegangen und da ist nach und nach der Kontakt weniger geworden. Bis schließlich völlig Funkstille war. So ist es jetzt schon seit ein paar Jahren. Aber ich hab sie trotzdem nicht vergessen können. Ich denk häufig an sie und frage mich, wie es ihr geht und was sie jetzt wohl macht. Ob sie die Ausbildung macht, von der sie immer geträumt hat.
Über ein paar Ecken habe ich eine E-Mail-Adresse von ihr bekommen. Ich hab ganz schön mit mir ringen müssen, ob ich ihr schreibe. Vielleicht sind meine Erwartungen ja zu hoch. Wir haben uns früher so gut verstanden. Was ist, wenn das jetzt nicht mehr so ist? Wenn ich ihr schreibe, gehe ich das Risiko ein, enttäuscht zu werden.
Ich hab ein bisschen Zeit gebraucht bis ich akzeptiert habe, dass es wahrscheinlich nicht wie früher wird und dass das ok ist.
Gestern Abend hab ich mir dann einen Ruck gegeben und ihr geschrieben. Auch wenn es gedauert hat, jetzt kann ich befreit mit der Situation umgehen; egal ob und welche Antwort ich bekomme.
Ich bin ein bisschen unsicher gewesen, aber hab mich schließlich getraut. In den ersten Tagen, als ich die neue Brille getragen habe, ist das einigen Leuten aufgefallen. Die Rückmeldungen meiner Freunde und Bekannten sind ganz verschieden gewesen. Vielen gefällt sie gut, aber einige haben mir auch gesagt, dass ihnen meine alte Brille besser gefallen hätte. Das hat mich irgendwie echt getroffen. Weil ich mich selbst am Anfang unsicher gefühlt habe. Ich hab mit diesen Kommentaren schlecht umgehen können. Ich hatte mich ja schon entschieden für die Brille; und mir gefällt sie.
Ich hab gemerkt: Ich bin dankbar für Kritik, die mir hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber ich will mich nicht abhängig machen von der Meinung anderer. Im Endeffekt muss ich mir selbst gefallen und dabei ist es zweitrangig, was andere denken.
Mir hat diese Erfahrung geholfen, mit Kritik generell umzugehen:
Ich unterscheide jetzt zwischen Kritik, die mich nur runterzieht – und die ich nicht zu nah an mich herankommen lassen will - und Kritik, die mich weiterbringt.
Die letzten Jahre habe ich das auch immer so gemacht, aber für dieses Jahr habe ich mir mal keine Vorsätze überlegt. Ja, auch mir würde es guttun, wenn ich mich mehr bewegen würde. Oder wenn ich mir jeden Tag eine halbe Stunde zum Meditieren oder Beten nehmen würde. Aber ganz ehrlich, das hat noch nie funktioniert. Die ersten Wochen bin ich immer ganz euphorisch gewesen, voller Tatendrang. Ich hab gedacht: „Jetzt bekomme ich endlich mal mein Leben auf die Reihe, werde super sportlich und gleichzeitig tiefenentspannt; dieses Jahr wird alles anders.“ Aber irgendwann hab ich immer gemerkt, dass sich mit dem Jahreswechsel eben doch nicht alles ändert. Dass meine Arbeit immer noch genauso stressig ist wie im Jahr davor und ich auch nicht mehr Kraft habe, um abends noch eine Runde laufen zu gehen. Das ist frustrierend gewesen. Und genau deshalb habe ich es dieses Jahr anders gemacht. Ich lasse das mit den guten Vorsätzen und schaue einfach, was das Jahr so bringt. Dann bin ich nicht enttäuscht, dass es wieder nichts geworden ist. Ich freue mich über jede Veränderung, die im Laufe des Jahres passiert, weil es gerade passt und nicht, weil ich sie erzwinge. Vielleicht ist das ja sogar auch ein Vorsatz.
Für mich ist das ja heute eine Selbstverständlichkeit, dass ich wählen kann. Aber woran ich meistens nicht denke, ist, dass das nicht immer so war.
Dass ich heute wählen kann, dafür haben viele Frauen jahrzehntelang gekämpft. Damals haben Männer Frauen nicht zugetraut, dass sie sich politisch einbringen und ihre Interessen vertreten können. Sie sollten sich um den privaten Bereich kümmern; um die Kinder und ihren Ehemann.
Frauen wie Clara Zetkin oder Helene Lange haben sich damit nicht abgefunden. Sie haben sich organisiert und zum Beispiel Zeitschriften gegründet, in denen sie das Wahlrecht für Frauen gefordert haben. Clara Zetkin ist für ihren Einsatz für die Rechte der Frauen sogar verfolgt worden.
Dank dieser Kämpferinnen für das Frauenwahlrecht vor 100 Jahren ist es für mich heute leichter, wenn ich mich politisch einbringen will.
Ich kann wählen gehen, Mitglied einer Partei werden und ich könnte mich sogar selbst zur Wahl stellen.
Dass Frauen Verfolgungen und Verhaftungen in Kauf genommen haben, zeigt mir immer wieder wie wertvoll mein Recht auf Mitbestimmung ist.
Und es erinnert mich daran, dass ich nicht bequem werden darf, sondern meine politische Stimme nutzen muss.
Ich hab manchmal schon das Gefühl gehabt, dass wir uns entfremden, keine Gesprächsthemen mehr haben.
Meine Freunde habe ich gefunden, weil wir gemeinsame Interessen teilen. Aber meinen Bruder und mich verbindet etwas anderes. Wir sind als Geschwister zusammen groß geworden; den Großteil meines Lebens habe ich mit ihm verbracht. Aber weil wir jetzt nicht mehr zusammenwohnen, müssen wir uns um den anderen bemühen. Ich liebe meinen Bruder und ich will nicht, dass wir uns aus den Augen verlieren. Und ihm geht das genauso.
Deshalb telefonieren wir jetzt häufiger, schreiben uns, was wir so machen. Ich glaube nämlich, dass es in der Familie wichtig ist, sich für den anderen zu interessieren. Nur so überbrücken wir die Unterschiede. Und die Perspektive meines Bruders ist für mich dazu noch sehr bereichernd. Weil sie eine andere ist als die meiner Freunde. Unsere Beziehung ist so auf ganz andere Weise wieder lebendig.
Seine Großzügigkeit hat mir den Tag gerettet. Und ich habe mich nachher gefragt, ob ich das genau so gemacht hätte. Einem Fremden Geld schenken, wenn ich weiß, dass ich es nicht zurückbekomme. Ich weiß aber, dass ich es in Zukunft tun will. Weil ich selbst erfahren habe, was so eine kleine Geste verändern kann.
Ich muss da immer wieder dran denken, wenn ich jetzt im Advent die Krippen in den Schaufenstern stehen sehe. Die sehen eigentlich immer ganz einladend aus. Sauber und mit ein paar netten Tieren, in ein warmes, gemütliches Licht getaucht. Und in der Mitte ein lächelndes Jesuskindchen.
Keiner weiß, ob Jesus wirklich in einem Stall geboren worden ist. Aber viel wichtiger finde ich, was die Geschichte von seiner Geburt über ihn aussagen will. Ich glaube, dass es dabei um genau die Erfahrung geht, die ich gemacht habe: Ein Stall ist kein Ort, an dem eine Frau ein Kind zur Welt bringen will. Niemand der eine Wahl hat, würde sich dafür entscheiden. Wenn ich allein schon daran denke, wie unhygienisch das ist. Aber die Bibel erzählt, dass das Leben Jesu in einem Stall anfängt. Für mich heißt das: Gott steht auf der Seite der Menschen, die nicht wählen können, wie sie leben wollen; weil sie arm sind oder unterdrückt werden. Er ist bei den Menschen, die unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen.
Ich denk darüber nach, wer diese Menschen heute sind.
Menschen, die ausgebeutet werden von Konzernen oder die Hunger leiden müssen, weil der Klimawandel ihnen die Lebensgrundlage nimmt.
Ich finds wichtig, dass ich an diese Menschen denke. Immer, aber besonders an Weihnachten.
Vor kurzem ist aber ein Freund von mir bei einem Unfall ums Leben gekommen. Er ist so alt wie ich gewesen. Dass er so plötzlich gestorben ist, hat mich fassungslos gemacht. Ich hab nicht gewusst, wie ich es schaffe, dass ich mit den Gefühlen umgehen kann, die da hochkommen. Ich bin traurig gewesen, aber auch wütend und gleichzeitig habe ich mich an die vielen schönen Momente mit ihm erinnert. Was mir geholfen hat, waren genau die festen Formen. Es hat gutgetan, dass ich nicht überlegen musste, was als Nächstes kommt. Dass alle die Lieder kannten, die wir gesungen haben. Und dass so ein Gefühl von Gemeinschaft entstanden ist. Ich hab mich da mit meinen Gefühlen nicht mehr alleine gefühlt. Ich konnte mich gedanklich fallen lassen, weil ich gespürt habe, dass die Rituale und die Gemeinschaft mich tragen.
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