Sarah
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Dienstag, 06. August 2024
Ich konnte das früher gar nicht so nachvollziehen, dass man sich fühlt, als hätte man nen Auftrag von Gott. Dass man auf ne bestimmte Weise leben oder nen bestimmten Beruf ergreifen soll.
In meinem Kopf hat sich das so bisschen angehört, als wär Gott da wie so ‘n strenges Elternteil. Jemand, der verlangt, dass man Dinge opfert und den Weg geht, von dem er denkt, dass er der richtige für einen ist, und nicht den, den man selbst gehen möchte. Und so soll Gott sein?
Aber jetzt, wo ich etwas älter bin, seh ich das anders.
Ich möchte Lehrerin werden. Das ist mir zwar schon länger klar, aber das wird mir manchmal nochmal besonders deutlich.
Ich lern grade, wie ich meinen Unterricht später mal so gestalten kann, dass er Wissen vermittelt, aber auch motiviert und Spaß macht. Ich bin dann immer voller Ideen und Motivation und kann es gar nicht erwarten, vor ner Klasse zu stehen.
Es ist für mich einfach so wichtig, junge Menschen zu begleiten und ihnen das Werkzeug an die Hand zu geben, um sich in der Welt zurecht zu finden.
In diesen Momenten habe ich das Gefühl, okay, hier bin ich auf dem richtigen Weg, hierzu fühle ich mich hingezogen .
Sarah
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Montag, 05. August 2024
Ich find Duftkerzen echt super. Ich liebe es vor Allem, mich im Laden durch lange Reihen von bunten Gläsern zu schnuppern, um dann die Kerze zu finden, die für mich genau richtig ist. Wenn die Kerze erst mal bei mir zu Hause steht, dann sammelt sie häufig Staub. Ich will sie dann irgendwie nicht wirklich anzünden, weil ich mir denke, dass ich sie mir für später aufsparen will, für irgendeinen Moment, der besonders ist - die Dinger sind ja auch nicht ganz billig.
Als ich nem Freund davon erzählt hab, meinte er, sowas erinnert ihn immer an seine Großeltern. Die hätten ihr Leben lang geschuftet und haben sich gesagt, wenn sie in Rente gehen, dann genießen sie richtig das Leben. Sie haben sich so ziemlich alles Gute für später aufgespart - und dann sind sie leider ziemlich direkt, nachdem sie in Rente gegangen waren , krank geworden und verstorben. Alles, was sie sich aufgespart hatten, das konnten sie nicht mehr umsetzen.
Das ist natürlich total traurig, und ich fand’s schon irgendwie heftig, dass meine kleine Duftkerze ihn daran erinnert hat. Aber ich denke, er hat Recht - das Leben genießen, das fängt bei den kleinen Sachen an. Es ist ja was Besonderes, dass wir überhaupt leben. Vielleicht kann das auch Anlass genug sein, ein bisschen zu feiern. Ich werd zumindest heute Abend meine Duftkerze anzünden.
Sarah
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Sonntag, 28. Juli 2024
Seit etwas über nem halben Jahr geh ich jetzt regelmäßig ins Fitnessstudio. Ich find’s voll verrückt, mich daran zurückzuerinnern, wie’s für mich war, damit anzufangen.
Ich hatte damals irgendwie total Angst, was falsch zu machen und mich blöd anzustellen. Das hat für mich am Anfang echt Überwindung gebraucht. Nicht, weil ich lieber auf der Couch sitzen wollte, sondern, weil ich mir das nicht wirklich zugetraut hab. Ich dachte mir: Das ist nichts für mich, da pass ich nicht rein.
Und nur ein halbes Jahr später, find ich diese Vorstellung fast schon lustig. Ich hab so viel Spaß am Training, genieße die Gemeinschaft und liebe das Gefühl, meinem Körper mit dem Sport was Gutes zu tun. Es fühlt sich für mich einfach mega an, wenn ich merk, dass ich bei ner neuen Übung besser werde oder seh, dass ich insgesamt stärker werde. Diese kleinen Erfolgserlebnisse stärken mein Selbstbewusstsein und geben mir das Gefühl, dass ich über mich hinauswachsen kann. Als ich für ein paar Wochen nicht ins Fitnessstudio gehen konnte, weil ich krank war, hat mir das sogar total gefehlt.
Ich finde es krass, dass ich etwas, was mir so gut tut und so viel Spaß macht, fast nicht angefangen hätte, weil ich es mir nicht zugetraut hab. Aber so, wie ich es schaffe, Kreuzheben zu üben, kann ich vielleicht auch üben, mir ein bisschen mehr zuzutrauen.
Sarah
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Samstag, 27. Juli 2024
Ich sehe gerade irgendwie ständig Self-Care Content: Eine Gesichtsmaske nach der anderen, Zahnaufhellung und von Haarkur bis Haarentfernung ist alles dabei. Das wirkt fast schon so, als würde mir mein Algorithmus was sagen wollen.
Das hat mich dazu gebracht, etwas mehr über diesen Begriff nachzudenken. Self-care heißt auf Deutsch Selbstfürsorge; sich um seine psychische und physische Gesundheit kümmern. Ist also ne ziemlich wichtige Sache, damit es uns gut geht. Aber an die ästhetisch in Szene gesetzten Routinen voller teurer Cremes und Öle erinnert mich das jetzt nicht. Selbstfürsorge, das ist für mich eher Tagebuch schreiben, spazieren gehen, oder mit nem Buch entspannen.
Es mich dazu gebracht, nachzudenken, wie ich denn für mich selbst sorgen könnte. Und was ich jetzt gerade für meine psychische und physische Gesundheit tun kann.
Für mich ist das ganz klar- raus aus dem Stress und Ruhe finden. Konkret heißt das für mich, mir in meiner total vollen Woche trotzdem mal wieder Zeit zu nehmen, zu einer Andacht zu gehen oder zu beten, um meine Akkus wieder aufzuladen. Aber auch ein Workout, ein Spaziergang und ne Gesichtsmaske werden sicher dabei sein- Hauptsache, ich tu mir mal wieder was Gutes.
Sarah
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Sonntag, 02. Juni 2024
Es gibt ja für so ziemlich alles ein Tutorial; Wenn ich zum Beispiel wissen will, wie ich mir Curtain Bangs schneide, kann ich das einfach nachschauen. Manchmal wünsche ich mir, das würde es auch für die großen Sachen im Leben geben.
So ein Moment war, als meine Mutter vor sieben Jahren gestorben ist. Ich hatte keine Ahnung, was ich machen soll. Und hätte gerne ne Anleitung gehabt, die mir sagt welchen Schritt ich jetzt als nächstes gehen muss.
Trauern ist so ein Ding, das unglaublich viele Menschen begleitet. Und trotzdem gibt es keine “eine” Antwort, die erklärt, wie das geht. Jeder Mensch, jeder Verlust und jeder Tag ohne den Menschen ist unterschiedlich.
Auch ich erlebe den Verlust meiner Mutter immer wieder anders. Manchmal bin ich dabei traurig, manchmal auch nicht.
Zum Beispiel hab ich neulich mit meinem Freund den Lieblingsfilm meiner Mutter angeschaut- “Harry und Sally”.
Dabei hab ich total an sie denken müssen. Ich hab dran gedacht, wie sehr sie sich freuen würde, mich so zu sehen, wie ich jetzt bin.
Als ich so die Nähe zu meiner Mutter nachspüren konnte, war das für mich nicht traurig, sondern fröhlich.
Und auch wenn ich mir damals ein Tutorial gewünscht hätte, weiß ich auch, dass ich meinen eigenen Weg finden musste, wie es für mich weitergeht.
Sarah
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Samstag, 01. Juni 2024
Mich beschäftigt in letzter Zeit total, dass queere Menschen, vor allem Transpersonen, so viel Hass ausgesetzt sind.
Vor allem in den USA wird gerade viel dazu diskutiert. Zum Beispiel wurden 2023 mehr als dreimal so viele transfeindliche Gesetzentwürfe verabschiedet, als im Jahr davor.
Mich stört in diesen Debatten vor allem, dass meine eigene Religion dafür verwendet wird, um Hass zu verbreiten.
Viele Menschen begründen ihre Transphobie so, dass Gott eine bestimmte Person als Mann oder Frau geschaffen hat. Und dass es deshalb gegen den Willen Gottes ist, sich nicht als das Geschlecht zu verstehen, als das man geboren wurde.
Das würde ja heißen, Gott würde nicht wollen, dass wir als Menschen wir selbst sein können. Das passt für mich gar nicht mit Gott zusammen.
Deshalb hat es mich besonders berührt, was der Autor Julian K. Jarboe zu dem Thema schreibt. Er findet es ist ein Segen Gottes, trans zu sein. Er vergleicht das damit, das Gott den Weizen, aber nicht das Brot geschaffen hat. Und wir Menschen daraus Mehl und Brot machen. Gott gibt uns Menschen auch die Möglichkeit, am Akt der Schöpfung teilzuhaben, indem wir uns selbst weiterentwickeln.
Ich finde diesen Gedanken total schön, dass Gott uns daran teilhaben lässt, uns selbst zu schaffen.  
Sarah
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Freitag, 31. Mai 2024
Ich hab mir endlich mal Hilfe geholt. Ich tu mich nämlich schon länger damit schwer, wenn ich Leistung erbringen muss- da kommen bei mir richtig viele Selbstzweifel hoch. Sonst kenn ich das eigentlich gar nicht so stark von mir. Die letzten Prüfungsphasen waren deshalb total stressig und haben mich ziemlich mitgenommen. Deshalb habe ich nen Termin bei der Beratungsstelle meiner Uni ausgemacht.
Mir ist die Entscheidung dazu nicht leicht gefallen; Ich denk mir oft, dass es viele Menschen gibt, die den Platz nötiger brauchen als ich. Mir wars auch n bisschen peinlich, dass ich wegen so was “kleinem” Hilfe brauch. Aber nur weil es Anderen auch nicht gut geht, heißt das ja nicht, dass ich keine Hilfe verdient hab.
Nachdem ich dort beim Gespräch war, ging es mir direkt n bisschen besser- klar, meine Probleme haben sich nicht in Luft aufgelöst. Aber es hat mir einfach richtig gut getan, auszusprechen, was mich bewegt. Und ich hab verstanden, dass es okay ist mit dem Leistungsdruck mal nicht so gut klar zu kommen. Es geht sogar ganz vielen so wie mir.
Natürlich ist das ne sehr persönliche Erfahrung, aber ich glaube, es kann jedem mal gut tun, ein bisschen Hilfe anzunehmen und sich jemandem anzuvertrauen. Egal ob das jetzt ein Therapeut ist, ein Freund, der Partner oder vielleicht Gott. Ich finde, jeder verdient, das zu spüren: Da ist jemand, der mich versteht und mir helfen will.
Sarah
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Donnerstag, 30. Mai 2024
Handy raus- Kamera aufmachen und bam! Erst mal erschrecken, weil sich die Selfiekamera öffnet.
Ich sehe in dem Moment dann das komplette Gegenteil von meiner Schokoladenseite- so aus dem blödesten Winkel und mit dem krassesten Doppelkinn.
Dann fallen mir auf einmal lauter Sachen auf, die mich stören. Die würd ich in nem normalen Foto nie merken.
Ich habs Gefühl, ich sehe mein Leben allgemein manchmal auch nur durch diesen unvorteilhaften Selfiekamera-Winkel. Dann fallen mir die ganzen kleinen Dinge auf, die mich nerven und alles, was gerade nicht so klappt wie‘s soll. Aber eigentlich gibt’s in meinem Leben total viel das richtig gut läuft. Ich find das im Alltag nur manchmal schwierig zu sehen. So, als würde ich immer nur auf das nächste Problem reinzoomen und nur Makel wahrnehmen. Das sind dann halt nicht mein Doppelkinn und Pickelchen, die mich stören, sondern Gespräche, in denen ich das Gefühl habe, was falsch gemacht zu haben. Oder zum Beispiel auch Stress wegen ner Deadline oder ner Hausarbeit, die immer noch nicht fertig ist.
Ich denke, ich müsste öfter mal die Perspektive wechseln und mein Leben durch ne neutralere Linse anschauen. 
So, wie es auf nem normalen Foto aussehen würde, und nicht von unten durch die Selfiekamera. Wenn ich das häufiger mache, dann sehe ich auch viel mehr von dem, wofür ich dankbar sein kann und womit ich zufrieden bin.
Sarah
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Mittwoch, 29. Mai 2024
“Stille Wasser sind tief”- das sagt man ja über Menschen, die eher zurückhaltend sind. Ich bin da so ziemlich das Gegenteil von- ein sprudelnder Wasserfall vielleicht? In der Welt der Sprichwörter würde ich mich wohl eher als “offenes Buch” beschreiben.
Wenn ich jemanden sympathisch find, quatsche ich mit der Person schnell mal über Gott und die Welt. Auch wenn wir uns noch gar nicht so lang kennen. So war das letztens bei mir auch mal wieder. Über nen Freund hab ich jemand Neues kennengelernt und mich sofort stundenlang mit ihm verquatscht. Von Plänen fürs Wochenende bis zu Stories aus der Schulzeit war alles an Themen dabei.
Er hat mir dann gesagt, dass er es mutig findet, dass ich so offen bin- er traut sich das nicht immer und versucht, das zu ändern.
Dass das mutig ist, wäre mir davor nicht in den Kopf gekommen. Für mich fühlt es sich einfach natürlich an, Leuten erst mal mit Vertrauen zu begegnen. Ich fänd’s herausfordernd, das mal nicht zu tun. Viele Leute schätzen auch an mir, dass ich anderen so offen begegne. Aber ich find es auch gut, wenn jemand da ganz anders drauf ist als ich. Ich glaub es geht ganz vielen von uns so, das wir unsere Stärken gar nicht immer als solche erkennen, weil sie für uns so selbstverständlich sind.
Ich denke auch, das ich noch was von den “stillen Gewässern” in meinem Freundeskreis lernen kann- und trotzdem dazu stehen kann, dass ich keins bin.
Sarah
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Dienstag, 28. Mai 2024
Als ich am Sonntag auf mein Handy geschaut hab, stand in meiner Kalender-App “Nichts zu tun heute.” Ich hab mich richtig gefreut, das zu sehen und hab den ganzen Tag dann auch total gemütlich auf dem Balkon gegammelt. Vor allem nach einer langen Phase voller Arbeit und Termine tut mir so ein Tag immer mega gut.
Eine Freundin von mir meinte letztens, dass sie da irgendwie neidisch drauf ist. Sie meint, sie kriegt das gar nicht hin, sich wirklich zu entspannen und kein schlechtes Gewissen dabei zu haben, mal nicht produktiv zu sein. Sogar wenn sie mal einen Tag frei hat, füllt sie den mit lauter Verabredungen oder Aufgaben. Einfach so einen Tag nur gammeln, das kann sie gar nicht, da hatsie immer das Gefühl, doch noch was tun zu müssen.
Irgendwie kann ich das auch verstehen. Manchmal hab ich nach so nem Tag auch mal ein schlechtes Gewissen.
Aber ich versuch mich dann dran zu erinnern, dass es mir in meinem Leben nicht so wichtig ist, dass ich die Wäsche gemacht hab oder meine Emails sortiert sind. Ich finde, dass mein Leben nicht besser oder wertvoller wäre, wenn ich jetzt die ganze Zeit produktiv wär. Ich will mein Leben genießen. Und dazu gehört für mich auch mal nen ganzen Tag auf dem Balkon gammeln.