Anna R.
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Dienstag, 04. Mai 2021
Seit 2 Wochen liegt ein großes Puzzle in meinem Wohnzimmer. Über 1000 Teile. Jedes Teil habe ich einzeln in die Hand genommen und genau angeschaut. Ich kenne jedes Detail des großen Bildes. Seit gestern ist es fertig und heute habe ich es wieder kaputt gemacht. Schon schräg oder? Eine richtig sinnlose Beschäftigung. Aber eigentlich ist es genau das, was ich am Puzzlen so mag: Dass es zu nichts gut ist. 
In meiner Ausbildung und bei der Arbeit geht es darum, immer produktiv zu sein. Immer etwas zu leisten, das einen Zweck erfüllt. Und genau diesen Stress mache ich mir oft auch noch in meiner Freizeit. Ich versuche, anspruchsvolle Literatur zu lesen, statt einem Buch, das mich einfach gut unterhält. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich den halben Sonntag über nur meine Lieblingsserie anschaue. Ich mache mir sogar Gedanken, wie ich besonders effektiv entspanne, damit ich anschließend wieder alles geben kann.
Ganz ohne Leistung geht es nicht, das ist mir klar. Ich will ja auch lernen und weiterkommen. Trotzdem glaube ich, dass ich diese Logik auch mal durchbrechen darf. Menschsein ist für mich mehr als Leistung. Dazu gehören auch die Momente, in denen ich mich einfach mal fallen lassen kann und nichts erreichen muss. Für mich ist das Zeit, die ich mit meinem Freund verbringe. Ein Tag an dem ich zum hundertsten Mal Harry Potter lese. Oder an einem Puzzle bastle, nur um es anschließend wieder kaputt zu machen.