Sabine
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Dienstag, 24. November 2020
Der ältere Herr am Telefon erzählt mir ganz aufgebracht: Er wird aus der Kirche austreten! Und ehe ich mich versehe telefonieren wir fast eine Stunde lang. Ich bin im Büro und höre ihm geduldig zu. Nicht weil ich ihn von seinem Vorhaben abbringen will oder nett sein will, sondern weil sich tatsächlich ein schönes Gespräch entwickelt. Und das hätte ich echt nicht gedacht. Denn eigentlich wollte er meinen Chef sprechen. Von dem hat er Sendung gehört und die - ginge ja mal gar nicht. Und jetzt will er aus der Kirche austreten.
Mein Chef ist aber nicht da. Also sage ich ihm das und dass ich es zwar schade finde, wie er sich entschieden hat, aber mal davon ausgehe, dass er sich das gut überlegt hat.
Mich interessiert aber auch, was er denn an der Sendung meines Chefs auszusetzen hat. Und dann nimmt unser Gespräch seinen Lauf. Er erzählt und ich höre zu. Und dann frage ich nach, bringe meine Sicht der Dinge ein und er hört zu, fragt nach. Bringt immer wieder Argumente ein, wird aber auch selbst nachdenklich. Genau wie ich. Und ich merke, wie seine Stimmfarbe von hart und ruppig zu angenehm und freundlich wechselt. Das tut mir gut. Nach einer Stunde muss ich unser Gespräch leider beenden, weil ich noch ein Meeting habe. Er hat Verständnis und bedankt sich. So hätte ihm die Kirche noch nie zugehört. Dennoch ist er sich sicher: Er wird austreten. Ich danke ihm ebenfalls für seine Sicht der Dinge und bin mir sicher: Auch wenn er bald nichts mehr mit Kirche zu tun haben wird, das Gespräch hat uns beiden gut getan.